Von der Abgabe synthetischen Heroins an Schwerstabhängige in Stuttgart profitieren auch Betroffene aus umliegenden Landkreisen. Doch die wollen für die Betreuung ihrer Kreisbewohner nicht bezahlen. Jetzt schaltet sich der Landessozialminister ein in den Streit.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Die Diamorphinpraxis in Stuttgart ist eine auch im bundesweiten Vergleich besondere Einrichtung. Hier erhalten Schwerstabhängige synthetisches Heroin. Unter den dort betreuten Süchtigen sind nicht wenige aus umliegenden Landkreisen. Doch deren Landratsämter weigern sich, der Stadt Stuttgart die Kosten für die psychosoziale Betreuung ihrer Kreisbewohner zu erstatten. Nun schaltet sich der Landessozialminister Manfred Lucha (Grüne) in der Sache ein und lädt zum Gespräch.

 

Die im Sommer 2014 an der Kriegsbergstraße eröffnete Diamorphinpraxis hat schnell die Planzahlen übertroffen. Aus den erwarteten 40 bis 50 Drogenabhängigen, die mit dem synthetischen Heroin Diamorphin versorgt werden, sind 80 geworden. Diese Schwerstabhängigen werden in der Einrichtung auch hausärztlich betreut, es gibt etwa Angebote zur Psychotherapie oder zur Arbeitsintegration.

Kosten von 1500 Euro pro Person und Jahr

Eben diese psychosoziale Betreuung sorgt für Streit. Unlängst musste ein Teil dieser Betreuung etwa einem Drittel der Betroffenen verweigert werden, weil ihre Heimatlandkreise die Kosten dafür nicht übernehmen. Laut Stadt geht es um Kosten von etwa 1500 Euro pro Person und Jahr. Die Kreise haben bisher erklärt, dass sie solche Angebote selbst für die Süchtigen vorhalten. Darunter sind die Landkreise Esslingen, Ludwigsburg, Rems-Murr, Böblingen und Calw. Dass die Abhängigen dort dennoch nicht ankommen, hat mehrere Gründe. Zum einen müssen die Schwerstabhängigen insbesondere in der Anfangsphase der Substitution mit Diamorphin dreimal, danach oft noch zweimal am Tag in die Kriegsbergstraße. Eine kleine Gruppe, bei denen die Strafvollstreckung zurückgestellt ist, müssen dort betreut werden, weil die Angebote so speziell sind. Andernfalls müssen die Betroffenen zurück in den Strafvollzug.

Jetziges Konzept ohne Erfolg

Nachdem Stuttgarts Sozialbürgermeister Werner Wölfle (Grüne) seinem Parteikollegen und Landessozialminister Manfred Lucha den Sachstand nochmals darlegte, hat dieser nun in einem Brief seine aktuelle Einschätzung erläutert. Lucha nimmt Bezug auf eine Vereinbarung vom September 2016, die „auf eine dezentrale psychosoziale Betreuung der Diamorphinsubstituierten in ihren Wohnsitzlandkreisen zielte“. Das entspricht der Haltung der Landkreise. Allerdings, schreibt der Minister weiter, habe dieses Konzept „in der Praxis in den meisten Fällen keinen Erfolg gehabt“. Dies sei offenbar auf die „Sachzwänge“ der Therapien und der Betreuung in der Diamorphinpraxis zurückzuführen, so der Sozialminister. Er sehe deshalb „wenig Sinn“, gegen diese Sachzwänge anzugehen und halte es „im Interesse einer möglichst guten Versorgung der Betroffenen für richtig, den niederschwelligen Zugang zur psychosozialen Mitbetreuung auswärtiger Substituierter in Stuttgart weiter offen zu halten“. Da die umliegenden Landkreise durch dieses Vorgehen „entlastet werden“, folgert Lucha, „sind sie aus meiner Sicht auch zur Kostentragung heranzuziehen“. Der Brief des Ministers endet schließlich mit der Ankündigung, „das Thema möglichst zeitnah erneut in einer gemeinsamen Besprechung mit den betroffenen Landkreisen zu erörtern“.