In Herrenberg-Gültstein haben Archäologen ein Frauenskelett und andere Fundstücke aus verschiedenen Epochen ausgegraben. Wenn es nach den Archäologen ginge, könnten diese aber im Boden bleiben.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Herrenberg - Die Frau hat ihren Schmuck mit in den Tod genommen: Dass sich die Creolen aus Edelmetall noch 1200 Jahre nach ihrer Beerdigung in dem Grab befinden, klingt außergewöhnlich. Auch etliche Perlen von einer Kette waren noch in der Erde. „Es hat uns nicht verwundert“, sagt allerdings Susanne Arnold vom Denkmalpflegeamt über den archäologischen Fund im Herrenberger Stadtteil Gültstein (Kreis Böblingen). In der Nähe waren schon einmal Skelette aus alemannischer Zeit gefunden worden. Und in der Herrenberger Kernstadt ist 1998 ein ganzer Friedhof aufgetaucht. Für Gültstein arbeitet die Stadt momentan an einem Bebauungsplan für das Gebiet Gartenäcker, denn dort sollen Wohnhäuser entstehen. Doch nun muss erst mit dem Denkmalamt abgestimmt werden, welche weiteren Untersuchungen sinnvoll sind.

 

Ziemlich nah unter der Oberfläche haben die Archäologen ihre Funde gemacht. Neben dem Skelett aus dem achten bis elften Jahrhundert stießen sie auf Gruben und Pfosten aus jener Zeit, was auf eine Siedlung hindeutet. Sie sind mit dem damaligen Baumaterial verfüllt. Die Bodenqualität sei gut in Gültstein, und das wussten auch schon die damaligen Siedler, erklärt Susanne Arnold vom beim Regierungspräsidium Stuttgart angesiedelten Amt für Denkmalpflege. Deshalb ließen sie sich in der Gegend nieder.

Im Zwerchweg sind 430 alemannische Gräber entdeckt worden

„Wir gehen nicht willkürlich vor“, sagt die Archäologin. Aufgrund ihrer Datenbank sei klar gewesen, dass in der Stelle Historisches steckt. Keramikscheiben aus vorgeschichtlicher Zeit kamen bei den Grabungen auch zum Vorschein. Außerdem haben die Römer Spuren hinterlassen: Die gefundenen Leistenziegel waren ihre gängige Dachbedeckung. „Wir sind noch ganz am Anfang“, sagt Susanne Arnold. Ein im Fachjargon als Pilotprojekt für Prospektion bezeichnetes Team hat vorsichtig mit einem Bagger schichtweise das Erdreich abtragen lassen. Tief gingen die Grabungen allerdings nicht.

„Um zu vermeiden, dass es später Verzögerungen beim Bau gibt“, habe die Stadt die archäologischen Untersuchungen beauftragt, erklärt Carmen Haug. Der Fund habe eine gewisse archäologische Bedeutung, sei aber nicht der größte in der Stadt, berichtet die Stadtsprecherin: Im Zwerchweg sind 430 alemannische Gräber entdeckt und ausgegraben worden. In Gültstein wird momentan auch im Benzinger Weg eine archäologische Voruntersuchung gemacht. „Momentan gehen wir nicht davon aus, dass der Fund im Gebiet Gartenäcker, das flächenmäßig viel kleiner ist als der Zwerchweg, größer wird“, sagt Haug.

Wenn gebaut wird, darf nicht zu tief gegraben werden

Wenn es nach den Archäologen ginge, könnten die Fundstücke im Boden bleiben. Dort haben sie sich immerhin hunderte von Jahren gut gehalten. „Wir sind Konservatoren“, erklärt Susanne Arnold. Das Denkmalpflegeamt werde nur dann tätig, wenn es nicht anders gehe. In diesem Fall könnte diese Direktive bedeuten: Wenn gebaut wird, darf nicht zu tief gegraben werden, und wenn tief gegraben wird, müssten die Überreste der Menschheitsgeschichte gesichert werden. Die Funde würden dann möglicherweise im Hauptarchiv der Denkmalpflege in Rastatt archiviert, wo wohl auch die Überreste aus dem Zwerchweg schlummern. Auch wenn die Archäologen der neue Fund kaum überrascht hat, etwas Besonderes ist das Grab der mit Ohrringen geschmückten Frau in gewisser Weise schon, sagt Susanne Arnold ein: „Es ist ein noch völlig unberaubtes Grab.“

Zahlreiche Beispiele

Landesweit: Funde wie in Herrenberg macht das Amt für Denkmalpflege landesweit. „Es gibt viele Beispiele“, versichert Susanne Arnold In der Region Stuttgart sind vor allem Ditzingen und Gerlingen bei den Archäologen bekannt. „Dort machen wir kein Loch auf, wo nichts drin ist“, scherzt die Mittelalter-Archäologin schon. Im Taubertal sei es das gleiche Phänomen.

Lokal: Der Fund in der Herrenberger Kernstadt hat „ein überraschend neues Bild zur Geschichte des Gräberfelds ergeben“, heißt es in einem Aufsatz zu den Ausgrabungen. Erkenntnisse über die Bestattungssitten im fünften Jahrhundert gehörten dazu, wie etwa die Beigabe von Gefäßen aus Keramik, Glas oder Bronze.