Anwohner des Backhauses, die anonym bleiben wollen, fordern eine Rauchgasmessung. Für diese Feuerstelle würden jedoch keine Grenzwerte gelten, so der Ortschef.

Herrenberg - Der Ortsvorsteher Gerhard Ostertag versteht die Welt nicht mehr. Seit dem Jahr 1846 raucht es aus dem kleinen Backhäuschen in der Hemmlingstraße mitten im Ortskern von Kuppingen. Noch nie habe sich

 

während seiner vierzehnjährigen Amtszeit jemand beschwert – und früher habe es auch keine nennenswerten Klagen gegeben. Doch nun haben sich Bürger in dem Teilort, die anonym bleiben wollen, über die „Geruchsbelästigung und Luftverschmutzung“ aufgeregt und fordern eine Rauchgasmessung. Ostertag lehnt das ab: „Es handelt sich um eine historische Sonderfeuerstelle: Für sie gelten keine Immissionsgrenzwerte.“

Im Ort kursieren Unterschriftenlisten der Backhausgegner

Die anonymen Backhausgegner lassen nach Angaben des Ortschefs Unterschriftenlisten kursieren, um weitere Protestler zu gewinnen. Vor nicht allzu langer Zeit seien einige Bürger in eine neue Wohnanlage in unmittelbarer Nähe der Feuerstelle gezogen, weiß der 61-Jährige, der bei der Stadt Herrenberg die Kämmerei leitet. Zwei Namen der Backhausgegner seien ihm bekannt. Wie viele es letztlich seien, wisse er nicht. „Ich sehe das gelassen“, sagt Ostertag. Einen Handlungsbedarf gebe es vorerst nicht. Das Häuschen zu schließen, komme für ihn überhaupt nicht in Frage. Schließlich gehöre es zum Leben in dem 4100 Einwohner zählenden Teilort seit je her dazu.

Der Musikverein Kuppingen feiert am Backhaus jedes Jahr sein traditionelles Bauernmarkt- und Zwiebelkuchenfest, zu dem Tausende Besucher aus der ganzen Umgebung kommen. Zur Finanzierung seines Vereinsheims verkauft der Musikverein zudem drei Mal im Jahr den selbst gebackenen Zwiebelkuchen. Im vergangenen Jahr sei der Ofen insgesamt 34 Mal angeheizt worden und werde auch von den Landfrauen und Privatleuten genutzt, bilanziert der Ortsvorsteher. Die Benutzerordnung von drei Backtagen in zwei Wochen werde deutlich unterschritten. Eigentlich könne jährlich sogar bis zu 78 Mal gebacken werden, sagt Ostertag.

Bevor morgens um sechs Uhr angeheizt wird, muss der Schlüssel im Bezirksamt abgeholt und die Benutzerordnung unterschrieben werden. Sie verlangt, dass nur trockenes Holz verwendet wird. Jeweils am Tag zuvor wird am Häuschen ein Hinweis auf den Backtag ausgehängt.

Den Ofen mit einem Vorbrenner auszurüsten, der die Rauchentwicklung reduzieren würde, ist für Ostertag ebenfalls inakzeptabel. Ein solcher würde 20 000 bis 30 000 Euro kosten. „Wir wollen in Kuppingen keinen Präzedenzfall schaffen. Jeder der sieben Teilorte von Herrenberg hat ein Backhaus“, sagt Ostertag. Und außerhalb Herrenbergs, weiß Marga Doll, die Geschäftsführerin des Kreisverbands der Landfrauen, gebe es im Kreis wohl etwa ein Dutzend weiterer Backhäuser.

Viele von ihnen werden auch noch im Kreis Esslingen betrieben, wo ein Anwohner aus dem Weilheimer Teilort Hepsisau vor dem Stuttgarter Verwaltungsgericht klagte und abblitzte. Die vom Backhaus ausgehenden Immissionen überschritten weder die Grenzwerte der Geruchsimmissionsrichtlinie noch die der EU-Feinstaubrichtlinie, so die Richterin. Dem Kläger empfahl sie, „in Abwägung mit der 150 Jahre im Gemeindeinteresse liegenden Backtradition einfach die Fenster zu schließen“.