In Herrenberg entsteht eine neue Klasse für Altenpflegehelfer. Die meisten Schüler sind Geflüchtete mit geringen Sprachkenntnissen. Ihre Vermittlung bleibt schwierig.

Herrenberg - Für einen Job in der Altenpflege kommt eine Gruppe auf dem Arbeitsmarkt bisher nicht in Frage: Menschen mit geringen Deutschkenntnissen. Ihnen bleibt der Zugang zum Beruf der Pfleger verwehrt. Doch angesichts des immensen Fachkräftebedarfs will der Landkreis Böblingen ihnen den Einstieg in den Job erleichtern.

 

An der Herrenberger Hilde-Domin-Schule sollen von September an Schüler und Schülerinnen zu Altenpflegehelfern ausgebildet werden, auch wenn sie schlecht oder kaum Deutsch sprechen. Das sind vor allem Geflüchtete und Menschen aus dem europäischen Ausland, die nach Deutschland eingewandert sind. Einer entsprechenden Beschlussvorlage hat der Kreistagsausschuss zugestimmt.

„Ohne Hilfe geht es nicht“

Vorgesehen ist demnach eine zweijährige Ausbildung mit einem Schwerpunkt auf der Sprachförderung. Diese sei für den Job essenziell, sagt Marion Schönhaar, die Leiterin der Hilde-Domin-Schule. „Ohne Deutschkenntnisse können die Schüler die Prüfungen nicht bestehen, sind frustriert und schmeißen hin“, sagt sie. Diese Erfahrung machte die Schulleiterin bereits mehrfach seit im Jahr 2015 viele Geflüchtete nach Deutschland kamen: Junge Menschen, häufig gerade einmal volljährig geworden, wollen arbeiten, werden aber den schulischen Anforderungen nicht gerecht. Bei vielen sei es nicht nur die Sprache, sagt Schönhaar. „Manche haben in Deutschland zum ersten Mal eine Schule von innen gesehen.“ Für solche Flüchtlinge sei es eine „hochkomplexe Gemengelage“, die das Lernen erschwere. „Ohne Hilfe geht es nicht.“

Zehn Deutschstunden pro Woche im ersten und fünf im zweiten Jahr sollen dafür sorgen, dass sich die etwa zehn bis 15 Schüler mit Kollegen und Bewohnern der Altenheime verständigen und auch Fachbegriffe richtig gebrauchen können. Dazu kommen etwa genauso viele Stunden für die Theorie und insgesamt 1600 Stunden Praxiserfahrung. Nach der Ausbildung können die Betroffenen mit der Arbeit im Beruf beginnen. Oder, wie das die Mehrheit der Pflegehelfer mit einer einjährigen Ausbildung tut, zwei Jahre für die Ausbildung zum Fachpfleger dranhängen.

6000 neue Pfleger gesucht, allein im Kreis

Die Idee der Helfersausbildung für Menschen mit Sprachproblemen ist nicht neu. Einen ähnlichen Ansatz gibt es auch in Stuttgart, Tübingen oder Karlsruhe. Der Kreis Böblingen versuchte die Idee bereits vor drei Jahren umzusetzen. Damals scheiterte es an der geringen Zahl der Anmeldungen, der Bedarf schien nicht groß genug zu sein. Denn an Schulen wie der Hilde-Domin-Schule können nur Personen ausgebildet werden, die bei einem Träger wie der Caritas, dem Roten Kreuz oder anderen angestellt sind.

Früher konnten es sich die Träger leisten, Pflegehelfer mit einem Sprachförderbedarf zu vernachlässigen. Der Grund: Für einen Altenheimbetrieb bräuchten sie eine besonders intensive Anleitung. Das würde Zeit kosten – etwas, das im streng getakteten Altenheimbetrieb rar ist und die Betriebe viel Geld kostet. Zudem wird die Pflegehelferausbildung im Gegensatz zur dreijährigen Pflegeausbildung nicht vom Bund bezahlt. Die Kosten der Ausbildung tragen die Ausbildungsstellen.

Warum kommt die neue Klasse jetzt trotzdem? Marion Schönhaar vermutet, dass der Bedarf an Personal immer größer werde. Die Träger seien heute eher bereit, noch mehr in die Ausbildung zu investieren und auch Menschen zu beschäftigen, die schwer zu vermitteln seien.

„Der Fachkräftemangel im Bereich der Altenhilfe ist eklatant“, sagt auch das Landratsamt. Im Kreis Böblingen ist die Gruppe der ab 75-Jährigen im Zeitraum von 2005 bis 2017 um 66 Prozent auf 41 330 Personen gestiegen. Bereits in 15 Jahren, schätzt der Sozialdezernent Alfred Schmid, würden 6000 zusätzliche Altenpfleger gebraucht. Wo diese herkommen sollen, ist völlig unklar. In der Hilde-Domin-Schule hofft die Leiterin Schönhaar auf die neue Pflegeklasse. Bislang allerdings haben sich nur eine Handvoll Bewerber angemeldet.