Betrunkene Jugendlichen haben sich beim Sonnwendfeuer in Oberjesingen daneben benommen. Sie pöbelten Gäste an und prügelten sich. Jetzt steht die Zukunft der Feier in den Sternen.

Böblingen - Holger Nüßle ist immer noch schockiert. Wer mit dem stellvertretenden Abteilungskommandanten der Feuerwehr Herrenberg-Oberjesingen (Kreis Böblingen) telefoniert, hört, wie er in schnellen, beinahe atemlosen Sätzen spricht und immer wieder sagt: „Das kann ich einfach nicht verstehen.“ Seit mehr als 20 Jahren veranstalte die Feuerwehr das Sonnwendfeuer nun schon, aber so etwas, so etwas sei noch nie passiert.

 

Mit „so etwas“ meint er die Ausraster, mit denen eine Gruppe betrunkener Jugendlicher aus der näheren und weiteren Umgebung den Feuerwehrleuten und vielen anderen Besuchern das Fest am 23. Juni verdorben hat. Die jungen Leute hätten jede Menge Alkohol im Gepäck gehabt, sie hätten sich am Rande des Festgeländes aufgehalten, andere Gäste angepöbelt und sich geprügelt, sagt Nüßle.

„Ich stech dich ab!“

Am Ende des Abends habe die Polizei das Gelände räumen müssen. Am nächsten Morgen sammelte die Feuerwehr nicht beim Fest verkaufte, leere und einfach weggeworfene Flaschen mit alkoholischen Getränken ein. Drei Mülltonnen sind damit voll geworden. Besonders gefährlich: jemand hatte in der Nähe einen Verteilerkasten umgetreten, Starkstromkabel lagen frei. „Was da hätte passieren können“, sagt Nüßle.

Der Polizeipressesprecher Peter Widenhorn berichtet Details von einem anderen Einsatz beim Sonnwendfeuer. Um 21 Uhr seien seine Kollegen zu einer Schlägerei gerufen worden. Dabei hätte ein 18-Jähriger einen anderen Festbesucher niedergeschlagen und getreten. Als einige Feuerwehrleute dazwischen gegangen seien, habe er sie beschimpft, dabei seien die Worte „Ich stech dich ab!“ gefallen. Das Ziel dieser verbalen Attacke: Holger Nüßle. „Das hat mich den ganzen Abend und den nächsten Tag nicht losgelassen. Da stellt man sich schon die Frage, ob ich mich dieser Gefahr aussetzen muss“, sagt er. Der 18-Jährige flüchtete nach dem Zwischenfall in den nahen Wald, wo er von den Polizisten später aufgegriffen wurde.

Als Reaktion auf die Entgleisungen hat sich die Feuerwehr Oberjesingen jetzt entschieden, an die Öffentlichkeit zu gehen – um eine Diskussion anzustoßen und eventuell die Eltern der betroffenen Jugendlichen aufzurütteln. Im Amtsblatt und in einem Facebook-Post berichten die Feuerwehrleute von den Ereignissen. Dieser Post macht seitdem die Runde im Netz, mehr als 40 Nutzer haben ihn schon kommentiert und mehr als 80 geteilt. Der Tenor der meisten Kommentare: Bestürzung.

Ärger beim Herrenberger Stadtfest

Nadine Rexer etwa, die in Oberjesingen aufgewachsen ist, mittlerweile aber in Gäufelden wohnt, verbindet schöne Kinderheitserinnerungen mit dem Fest. „Als ich im Kindesalter die Sonnwendfeuer in Oberjesingen besucht habe, war es das Größte, mit den Feuerwehrleuten gemeinsam das Feuer anzuzünden“, schreibt sie. „Schade, dass solche Situationen eine lange Tradition irgendwo zerstören. Das macht einfach traurig.“

Betrunkene junge Leute, die ausrasten – das ist kein Problem, das ausschließlich Oberjesingen betrifft. „So etwas gibt es überall“, sagt Peter Widenhorn. „Das ist kaum zu verhindern.“ In Herrenberg etwa hatte man beim Stadtfest vor zwei Jahren ähnliche Erfahrungen gemacht. Eine große Gruppe betrunkener Besucher hatte sich auf dem Vorplatz der Stiftskirche daneben benommen, Flaschen flogen von dort in die Altstadt. Daraus zog die Stadt im Folgejahr Konsequenzen und sperrte den Platz während des Festes. Das ist auch am 20. und 21. Juli beim diesjährigen Stadtfest so geplant, sagt Anne Reichel, die Sprecherin der Stadt Herrenberg.

Zukunft des Sonnwendfeuers

Auch die Feuerwehr Sindelfingen-Darmsheim hat im Juni eine Sonnwendfeier veranstaltet. „Bei uns gab es keine Probleme“, sagt der Abteilungskommandant Christoph Wiechert. Im Unterschied zu Oberjesingen ist das Darmsheimer Festgelände im Aibachgrund abgesperrt, am Eingang gibt es Taschenkontrollen, damit kein Alkohol von außerhalb mit zum Fest gebracht werden kann. Außerdem müssen Besucher Eintrittsgeld zahlen, mit dem die Kosten für die Zäune gedeckt werden.

Wie es nun mit dem Oberjesinger Sonnwendfeuer weitergeht, steht in den Sternen. Sollte die Feuerwehr im nächsten Jahr Auflagen wie einen Sicherheitsdienst erfüllen müssen, sei das Fest gestorben. Es rentiere sich dann nicht mehr, sagt Nüßle.