In Herrenberg ist die Betroffenheit nach dem Tod eines 15-Jährigen im Zeltlager groß. Die Betreuer sind von der Polizei als Zeugen verhört worden. Freizeitveranstalter wappnen sich mit einem Warnsystem gegen Krisenfälle.

Herrenberg/Rickenbach - Erklärungen kann Dieter Geisberger keine liefern. „Ich kann nur den Bürgermeister von Rickenbach zitieren“, sagt der Sprecher des DLRG-Landesverbandes Württemberg: An der Stelle in Südbaden, wo in der Nacht zum Mittwoch ein Junge aus Herrenberg von einem Baum erschlagen wurde, gibt es laut Dietmar Zäpernick weder Internet- noch Handyempfang. Ansonsten hätten die Betreuer die Unwetterwarnungen erreichen müssen. Von der Polizei wurden sie bereits befragt – als Zeugen wohlgemerkt. Die Polizei bestätigt, dass sie momentan nicht gegen Personen ermittle, wohl aber untersuche, ob Fremdverschulden am Tod des Jungen vorliege, „weil an der Örtlichkeit am Waldrand bei bestehenden Witterungsverhältnissen gezeltet wurde“. Die Staatsanwaltschaft in Waldshut-Tiengen ordnete die Obduktion des Opfers an, um die genaue Todesursache festzustellen.

 

Der 15-Jährige befand sich auf einem vom DLRG-Ortsverein Herrenberg organisierten Zeltlager in Südbaden. 17 Jugendliche im Alter von 13 bis 16 Jahren sowie vier Betreuer im Alter von 17 bis 29 Jahren hatten sich für eine 24-Stunden-Wanderung vom Hauptlager entfernt. Sie übernachteten in einer Schutzhütte, einige Jugendliche aber auch in einem Zelt. Auf dieses fiel beim Sturm ein Baum, tötete den 15-Jährigen und verletzte einen 14-Jährigen schwer.

Gesprächsthema in Herrenberg

In Herrenberg machte der Tod des Jungen schnell die Runde. „Im Freibad war es ein großes Thema unter Müttern“, berichtet eine Herrenbergerin. Ein geplantes Zeltlager des Evangelischen Jugendwerks Herrenberg im Schwarzwald am Ende der Ferien finde trotzdem wie geplant statt, sagt die Jugendreferentin Angela Kottmann. 60 Kinder sind angemeldet. „Das Thema Gewitter ist ja nicht neu. Jedes Jahr überlegen wir uns, wie wir im Notfall reagieren.“ Beim Zeltplatz des Jugendwerks stehe ein Haus, ziehe ein Gewitter auf, werde dort mit den Kindern gewartet, bis es vorbei ist. Allerdings hätten sie bisher stets Glück gehabt, sagt Kottmann: „Es gab nie ein Unwetter.“

Der Christliche Verein Junger Menschen (CVJM) Sindelfingen, der momentan mit knapp 100 Kindern im Zeltlager im bayrischen Stettenhofen ist, hat hingegen einschlägige Erfahrungen. „Wir übernachten bei drohendem Unwetter mit den Kindern grundsätzlich in einer Halle mit dicken Mauern“, sagt Christine Arndt. Die CVJM-Vorsitzende war viele Male als Betreuerin dabei. Beim Wetter seien die Mitarbeiter sehr vorsichtig. „Wir vertrauen auch auf das Urteil der Gutsleute, an dessen Hof die Wiese des Lagers grenzt. Die warnen uns, wenn ein Gewitter droht.“ Bäume könnten nicht zum Verhängnis werden, denn die Zelte stünden auf der Wiese weit weg von jeglicher Bepflanzung.

Zeltlager auf baumfreier Wiese

Auch das Bundeslager vom Verband der christlichen Pfadfinder (VCP) ist auf einer baumfreien Wiese bei Wittenberg in Sachsen-Anhalt aufgeschlagen worden. Dort sind aktuell 5000 Kinder, Jugendliche und ihre Betreuer untergebracht. Die Lagerleitung hat einen direkten Draht zur Wetterwarte, berichtet Harald Kraus, der Geschäftsführer des VCP in Württemberg. „Man kann klar nachweisen, dass die Zahl der Stürme zunimmt“, sagt er. Wenn ein großer Sturm angesagt ist, wird vorsorglich geräumt. Um die Bewohner zu informieren, gibt es ein Warnsystem mit Flaggen von Grün bis Rot. Bei Rot erfolgen Durchsagen, dann marschieren die Pfadfinder zur nächst gelegenen Turnhalle.

Alle Mitarbeiter des Bundeslagers haben einen Brief erhalten, was in Krisenfällen zu tun ist. Der Katastrophenplan ist zudem Bestandteil der Jugendleiterschulung. Kleinere Gruppen, die Ausflüge vom Bundeslager aus machen, bekommen ebenfalls Verhaltensregeln mit auf den Weg. Bei Übernachtungen im Wald sollten im Unwetterfall alle Teilnehmer die Schutzhütte aufsuchen. „Verlasst das Waldstück, sucht ein Bushäuschen oder einen anderen Unterstand oder klingelt bei einem Bauern“, lautet laut Harald Kraus eine weitere Anweisung. Ansonsten sollten die Zelte auf einer freien Fläche aufgeschlagen werden, wo nach menschlichem Ermessen kein Baum hinfallen kann. „Aber vor so einem Unglück kann im Prinzip nichts schützen“, sagt der VCP-Geschäftsführer über den Todesfall von Rickenbach.

Psychologische Betreuung für Kinder und Mitarbeiter

Für den verstorbenen 15-Jährigen möchte die DLRG nach Absprache mit seinen Eltern eine Trauerfeier veranstalten. „Im Moment überwiegt die Betroffenheit“, sagt Dieter Geisberger über die Situation im Herrenberger Ortsverein. Bei Bedarf erhalten die rund 100 Freizeitteilnehmer im Alter von acht bis 15 Jahren psychologische Betreuung. Am Mittwoch saßen die Betreuer bis tief in die Nacht hinein zusammen. „Alle, die beteiligt waren, sind in Einsätzen ausgebildet, die zur Rettung dienen“, sagt der Pressesprecher zur absurden Situation, dass ausgerechnet bei einer Freizeit der Deutschen-Lebens-Rettungs-Gesellschaft ein Jugendlicher ums Leben gekommen ist. „Das Wetter war noch nie ein Problem“, ergänzt Geisberger, einen ähnlichen Vorfall habe es noch nie gegeben.