Herrenberg will eine gründerfreundliche Kommune werden und hat dafür ein Konzept entwickelt. Ein Kaffeeimporteur, eine Rösterei und ein Lebensmittelgeschäft profitieren bereits von der Förderung durch ein besonderes Projekt.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Herrenberg - Lukas Harbig räumt gleich mit ein paar Klischees auf. Seine Unternehmensgründung sei kein Sprung ins kalte Wasser gewesen, sondern eher ein langer Weg in die Selbstständigkeit, erklärt er. Und nicht jedes Start-up mache Hightech oder habe eine innovative Idee zu bieten. Er und sein Kompagnon Daniel Kraus gründeten vor zwei Jahren in Herrenberg eine Firma für Kaffeeimporte namens Cumpa, was die spanische Kurzform für Kumpels ist. Mittlerweile befassen sich der Betriebswirt und der Ingenieur in Vollzeit damit. „Lieber langsam und echt und nicht wie im Silicon Valley“, sagt Lukas Harbig über das bisherige Wachstum. Ein Projekt der Stadt Herrenberg hat dabei geholfen: Der Stadtkaffee wirkt anregend auf die lokale Gründerszene.

 

Die Herrenberger sind offensichtlich Kaffeeliebhaber: Seit der Einführung des neuen Produkts im vergangenen Mai haben sie bereits eine Tonne Stadtkaffee konsumiert. Die Bohnen dafür kaufen Lukas Harbig und Daniel Kraus ein – direkt bei den Kaffeebauern in Peru und Vietnam zu fairen Preis und aus nachhaltigem Anbau. Geröstet werden sie dann von einem weiteren Jungunternehmer: Kevin Bandel hat vor einem Jahr die bestehende Herrenberger Rösterei May Coffee übernommen. Zu kaufen gibt es den Stadtkaffee schließlich bei Melanie Kupi, die im Juni Herrenbergs ersten Unverpackt-Laden eröffnete. „Der Stadtkaffee ist nicht nur ein cooles Produkt, er bringt uns alle auch weiter“, lobt Kevin Bandel das Projekt.

Es ist ein Teil des Konzepts, mit dem die Verwaltung den Titel „gründerfreundliche Kommune“ gewinnen will. Gemeinsam mit dem Landkreis Böblingen hat sich Herrenberg bei dem Landeswettbewerb beworben, der gerade noch läuft. Bislang ist Magstadt die einzige Gemeinde im Kreis, die sich als gründerfreundlich bezeichnen darf. Im Februar des vergangenen Jahres überzeugte sie mit einem Konzept rund um das Fahrrad die Jury, weil im Ort der Produzent Centurion seinen Sitz hat. Seither hat der Bürgermeister Florian Glock einen Gründungsmanager angestellt, es gab unter anderem Veranstaltungen wie eine Messe und eine Pop-up-Store-Aktion, um den Ladenleerstand zu bekämpfen.

Ein Ansprechpartner ist wichtig

Melanie Kupi findet, dass Herrenberg den Titel ebenfalls verdient hätte: Bei den Gründern sei abgefragt worden, welche Unterstützung sie für die Selbstständigkeit benötigten, nennt sie als Beispiel. In ihrem Fall war es Hilfe bei der Suche nach Ladenfläche. „Ansprechpartner zu haben, war für mich wichtiger, als Geld zu bekommen“, sagt auch Kevin Bandel. „Wir haben ein großes Interesse vonseiten der Stadt erlebt“, hakt Daniel Kraus ein. Am Tag ihrer Unternehmensgründung im August 2018 sind er und sein Geschäftspartner gleich zu einem von der Wirtschaftsförderung organisierten Gründungsmeeting im Co-Working-Space gegangen.

Die Idee zu Cumpa basiert auf einer Reise nach Peru, die Lukas Harbig vor sieben Jahren unternommen hat. Ein Jahr verbrachte er dort und „verliebte sich in Land, Leute und Kaffee“. Zurück in der Heimat gründete er mit seinem Freund Daniel Kraus zunächst einen Verein, um den Kaffeebauern mit verschiedenen Projekten zu helfen. „Ich wollte meine Arbeitszeit mit etwas Sinnvollem füllen“, sagt er über den Entschluss, Bohnenimporteur zu werden. Mit seinen Kaffees, die teilweise biologisch angebaut sind oder von einer Kooperative stammen, die weibliche Kaffeebauern unterstützt, passt Kevin Bandel gut zu Cumpa. Biozertifiziert ist auch das Geschäft von Melanie Kupi, die ebenfalls auf regionale und fair gehandelte Produkte setzt.

Zur Fairtrade-Stadt passen die Firmen

Herrenberg will wiederum noch einem anderen Titel gerecht werden: Die Stadt ist seit fünf Jahren Fairtrade-Town – und dazu passten die drei Start-ups perfekt, findet Lena Schuldt, die Koordinatorin für kommunale Entwicklungspolitik. „Wir wollen nachhaltige Projekte fördern, den bewussten Konsum, faire Handelsbeziehungen und die lokale Wirtschaft“, sagt die Rathausmitarbeiterin, die aufseiten der Verwaltung die Entwicklung des Herrenberger Stadtkaffees begleitet hat. Lukas Harbig schätzt es, dass die Uhren in Herrenberg langsamer gehen als im Silicon Valley. „Wenn man eine nachhaltige Wirtschaft will, sollte man auch auf vermeintlich schwächere Pferde setzen“, sagt er, und nicht nur Start-ups im Bereich Technik, Stahl und Software fördern.