Ein ehemaliger Chefarzt des umstrittenen Herzzentrums in Konstanz und Kreuzlingen fordert von der Klinik eine halbe Million Euro an Steuerschulden ein. Der damals in der Schweiz wohnhafte Mediziner gibt der Klinikleitung die Schuld. Sie soll Steuern und Sozialabgaben nicht abgeführt haben, obwohl der Mann in überwiegend Deutschland gearbeitet habe.
Die Affäre um das umstrittene Herzzentrum Bodensee in Konstanz und Kreuzlingen ist um eine weitere Episode reicher. Ein ehemaliger Chefarzt klagt vor dem Arbeitsgericht Radolfzell gegen die Leitung der beiden Schwesterkliniken auf Schadensersatz für eine Steuerschuld in Höhe von von rund einer halben Million Euro.
Die Geschäftsführung weist jede Schuld von sich und verweist auf die Verantwortung ihres ehemaligen Arbeitnehmers auf Steuerehrlichkeit. Zudem seien die Ansprüche bereits verjährt.
Seit die Stuttgarter Zeitung und SWR-Info merkwürdige Praktiken an den beiden Klinken enthüllt haben, ermitteln die Staatsanwaltschaften in Konstanz und im Schweizer Kanton Thurgau. Es geht dabei neben dem Verdacht auf Betrug mit Sozialabgaben auch um den Vorwurf unerlaubter Geschäfte mit einer Medizinartikelfirma in Zug, die den Klinikeignern gehört.
Eigentümliche Beschäftigungsverhältnisse an den Kliniken
Auch soll die Klinik in Deutschland nicht zugelassene Herzklappen eingeführt und implantiert haben. Ermittlungen wegen der fehlenden Approbation eines Chefarztes wurden unterdessen eingestellt.
Das Radolfzeller Verfahren offenbart Einblicke in die eigentümlichen Beschäftigungsverhältnisse, wie sie an der Klinik auch nach einer Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen in Baden-Württemberg bis heute unbeanstandet Alltag sind.
Laut seinem Arbeitsvertrag war der Chirurg in Kreuzlingen beschäftigt, hatte aber über eine so genannte Konzernleihe fast ausschließlich im drei Kilometer entfernten Konstanz operieren müssen. Der Vorteil für den Spitzenverdiener mit einem Netto-Jahresgehalt von zuletzt rund einer halben Million Schweizer Franken: er zahlte mit knapp 25 Prozent nur die Hälfte soviel Steuern wie in Deutschland.
Eingesparte Sozialabgaben in Millionenhöhe?
Bei den Sozialabgaben sparten sowohl der Mediziner als auch das Herzzentrum wiederum die Hälfte der Kosten ein. Nach Aussagen von Experten des deutsch-schweizerischen Steuerrechts kam für die Klinik durch die Umgehung des deutschen Fiskus eine Millionensumme zusammen. Denn der Chirurg war beileibe kein Einzelfall. Die meisten der gut drei Dutzend Mitarbeiter hat einen Arbeitsvertrag im Steuersparparadies Schweiz bekommen, mussten aber auch oder ausschließlich auf deutscher Seite arbeiten.
Die Prüfer des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen stuften dies als bedenklich ein. Experten schätzen, dass dem deutschen Fiskus durch diese Praxis über die Jahre ein zweistelliger Millionenbetrag vorenthalten wurde. Da mehr Mitarbeiter von der Problematik betroffen sind, dürften weitere Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe auf die Kliniken zukommen.