Der Abschnitt zwischen Weil der Stadt und Malmsheim ist nur eingleisig. Die Hermann-Hesse-Bahn und der schnelle Zug aus Stuttgart passen da nicht durch. Politiker müssen sich nun einigen. Aber wie?

Böblingen - In welchen Zug kann man sich später einmal setzen, um nach Stuttgart oder Calw zu fahren? Im Augenblick scheint das manchem verwirrend und unklar, denn die in internen und öffentlichen Sitzungen, via Pressemitteilungen und per Klageverfahren geführte Debatte geht hin und her. „Jeder will, dass der Kreis Calw endlich seine Schienenverbindung in die Region Stuttgart bekommt“, sagte nun der Böblinger Landrat Roland Bernhard am Montagvormittag in der Verkehrsausschusssitzung des Kreistags.

 

Wo liegt dann das Problem?

Das Problem befindet sich zwischen Weil der Stadt und Malmsheim. Dieser Schienenabschnitt ist nur eingleisig – und schon heute sehr ausgelastet. Vier S-Bahnen fahren pro Stunde in beide Richtungen. Stresstests haben ergeben, dass dort allerhöchstens Platz für einen einzigen weiteren Zug ist. Welcher das sein soll, ist derzeit umstritten. Der Landkreis Calw will nämlich in etwa drei Jahren mit seiner Hesse-Bahn nach Renningen fahren. Und der Verband Region Stuttgart (VRS), der die S-Bahn betreibt, plant gerade an einer Express-S-Bahn, die ebenfalls von Feuerbach kommend auf dem eingleisigen Abschnitt bis nach Weil der Stadt fahren soll. Beides geht nicht.

Welcher Zug wird bevorzugt?

Es gibt den diskriminierungsfreien Zugang zum Schienennetz. Ein natürliches Vorrecht hat darum keine der beiden Zug-Arten, weder die Hesse-Bahn, noch die Express-S-Bahn. Politiker müssen sich also einigen. Kommt es nicht dazu, könnte die Express-S-Bahn schon in Renningen enden. Weil der Stadt wäre dann von der Schnellverbindung in die Landeshauptstadt abgehängt.

Was will Böblingen?

„Ich kann keinem Weil der Städter erklären, dass er später möglicherweise nicht in die Express-S-Bahn einsteigen kann“, sagte der Böblinger Landrat am Montag. Roland Bernhard unterstrich daher erneut seine Forderung, dass die Hesse-Bahn in einer ersten Ausbaustufe schon in Weil der Stadt enden solle. Dort könnten die Calwer dann in die Express-S-Bahn umsteigen. „Wenn wir uns richtig anstrengen, schaffen wir es, dass die Express-S-Bahnen fahren, wenn die Hesse-Bahn fertig ist“, hatte VRS-Verkehrsdirektor Jürgen Wurmthaler nämlich im August im Gespräch mit unserer Zeitung versprochen.

Kreisräte der Freien Wähler, der CDU, SPD und FDP schlossen sich am Montag der Forderung Bernhards an. „Es wäre ein Treppenwitz, wenn der Takt nicht bis Weil der Stadt verdichtet werden könnte“, sagte Martin Killinger (Freie Wähler). Aus Sicht eines S-Bahn-Fahrers wäre es ein Quantensprung, wenn die schnelle S-Bahn käme, ergänzte Ulrich Vonderheid (CDU). „Es sind heute viel zu viele Autos auf der Straße, viele stehen im Stau, daher müssen wir beim Nahverkehr endlich in die Pötte kommen“, fand die Linke Gitte Hutter. Und der SPD-Kreisrat Hans-Josef Straub dachte schon einen Schritt weiter: „Viele Ostelsheimer sagen mir, dass auch sie lieber in eine direkte S-Bahn nach Stuttgart einsteigen wollen, als in einen Dieselzug.“ Später, so die Überlegung beim Verband Region Stuttgart, könnte die Express-S-Bahn nämlich bis nach Calw fahren.

Warum wollen die Calwer unbedingt bis Renningen fahren?

Helmut Riegger (CDU), der Calwer Landrat, ist ungeduldig und wittert bei jeder Planänderung weitere Verzögerungen für sein wichtigstes Verkehrsprojekt. „Wir bauen. Wir reden nicht – sondern wir setzen unsere Pläne um“, hatte er Anfang August gesagt. Die Gutachten zur Wirtschaftlichkeit der Hermann-Hesse-Bahn verlangen die Weiterfahrt bis Renningen, damit man dort nicht nur in die S 6, sondern auch in die S 60 umsteigen kann.

Kann Calw also bauen, wenn es zu keiner Einigung kommt?

Nein. Wichtigster Joker der Politiker im Kreis Böblingen ist die Klage gegen das Projekt, die der Renninger Gemeinderat Ende Juli eingereicht hat. Bleibt es bei der Klage – und das wollen die Renninger nochmals diskutieren – käme es zu einer weiteren Verzögerung.

Wie geht’s also weiter?

Das Verkehrsministerium hatte Mitte August angekündigt, zwischen der Stadt Renningen und dem Kreis Böblingen auf der einen Seite und zwischen dem Kreis Calw auf der anderen Seite zu vermitteln. Einen Termin dazu gibt es noch nicht, sagte ein Ministeriumssprecher am Montag auf Nachfrage: „Wir gehen davon aus, dass der Termin im Herbst stattfindet.“

Welche Nuss muss man da knacken?

Das Ministerium hat im März eine Bedingung klar gemacht, die erfüllt sein müsse, damit man eine Hesse-Bahn nur bis Weil der Stadt akzeptiert: Es müsse heute schon glasklar vereinbart sein, dass später einmal auf jeden Fall die S-Bahn-Verlängerung bis Calw kommt. Und dafür müssten alle Beteiligten eine Finanzierung für die dafür notwendigen zusätzlichen 28 Millionen Euro finden.

Wie steht es um die Vereinbarung?

An einer solchen Vereinbarung wird jetzt mit Hochdruck gefeilt. Grüne, CDU, Freie Wähler, SPD und FDP im VRS-Regionalparlament hatten Anfang September bei der VRS-Verwaltung beantragt, entsprechende Verhandlungen mit Calw aufzunehmen. Einen ähnlichen Antrag mit dem gleichen Ansinnen reichten die Fraktionen dieser Parteien nun am Wochenende auch bei Landrat Roland Bernhard ein.

Das werden schwierige Verhandlungen. Denn in Calw hat der dortige Landrat mehrfach deutlich gemacht, wenig Lust auf die teure S-Bahn zu haben. Wer die S-Bahn wolle, müsse sie auch bezahlen, hatte Helmut Riegger gesagt. „Das Verkehrsministerium und der Kreis Calw müssen sich bewegen“, forderte daher sein Amtsbruder, der Böblinger Landrat Roland Bernhard, am Montag. „Ich hoffe, dass wir den Durchbruch noch in diesem Jahr schaffen.“