RP genehmigt den zusätzlichen Bahnsteig im Renninger Bahnhof. Dabei fordern einige Politiker, dass die Calwer Bahn nur bis Weil der Stadt fährt. Hat diese Lösung jetzt noch eine Chance?

Renningen - Das Regierungspräsidium Stuttgart hat den großen Umbau des Renninger Bahnhofs genehmigt. Das teilte die Behörde am Dienstag mit. Der Zweckverband Hermann-Hesse-Bahn hatte dies beantragt. Denn er will mit seiner Bahn von Calw aus bis nach Renningen pendeln und benötigt dafür ein eigenes, zusätzliches Gleis und einen Bahnsteig.

 

Im westlichen Teil des Bahnhofs, zwischen den Gleisen und den Parkplätzen, ist diese zusätzliche Infrastruktur vorgesehen. Derzeit befindet sich dort noch Wiese. Als Ausgleich für den Eingriff in die Natur hat das Regierungspräsidium daher verfügt, an anderen Stellen Sträucher anzupflanzen und in Ostelsheim (Kreis Calw) eine Wildobst-Reihe anzulegen. Aber was heißt all das konkret?

Beginnen jetzt die Bauarbeiten?

Dazu konnte das Landratsamt Calw am Dienstag noch keine Angaben machen. „Der 59 Seiten umfassende Planfeststellungsbeschluss liegt uns erst seit heute vor“, sagt die Pressesprecherin Anja Härtel. Das müsse man erst prüfen, bevor man Angaben zum weiteren Verlauf machen könne. In Calw unterdessen ist die Freude groß. „Es ist sehr zu begrüßen, dass das Regierungspräsidium Stuttgart nun den Planfeststellungsbeschluss für die baulichen Maßnahmen im Bahnhof Renningen erlassen hat“, sagt sie. Nach der Einigung mit dem Nabu über den Fledermausschutz sei das ein weiterer wichtiger Schritt für das Schienenprojekt.

Dann ist doch alles gut, oder?

Verkehrspolitiker im Kreis Böblingen und beim Verband Region Stuttgart waren schon immer dagegen, dass die Hesse-Bahn bis Renningen weiterfährt. Es reiche, wenn sie schon in Weil der Stadt endet, dort könnten die Fahrgäste in die S-Bahn umsteigen. Die Verkehrspolitiker befürchten, dass es zu massiven Störungen im gesamten S-Bahn-Netz kommt, da der Abschnitt zwischen Malmsheim und Weil der Stadt nur eingleisig ist. Der Kreis Calw hatte das mit Verweis auf Stresstests stets zurückgewiesen. Es sei bewiesen, dass sich die Hesse-Bahn in den Fahrplan der S-Bahn einfügt.

Wie sind die Reaktionen?

Im Renninger Rathaus ist man wenig begeistert, dass der Umbau des Bahnhofs in der eigenen Stadt nun genehmigt ist. Nach wie vor halte man die Hesse-Bahn nur bis Weil der Stadt für die beste Lösung, sagt der Beigeordnete Peter Müller. Ähnlich sieht es der Böblinger Landrat Roland Bernhard. „Alle Seiten haben ein Interesse daran, dass die Hermann-Hesse-Bahn rasch in Betrieb geht“, sagt er unserer Zeitung. „Ob diese bis Weil der Stadt oder bis Renningen fährt, ist aber noch keineswegs grundsätzlich geklärt.“ Wenn sie schon in Weil der Stadt endet, würde das hohe Investitionen aus Steuergeldern in den Renninger Bahnhof sparen.

Warum will Calw überhaupt bis Renningen fahren?

Das liegt an den Wirtschaftlichkeitsgutachten. In Renningen besteht Anschluss an gleich zwei S-Bahn-Linien: Nach Stuttgart und nach Böblingen. Die Gutachten sprechen von 500 zusätzlichen Fahrgästen. „Wenn die Hesse-Bahn nur bis Weil der Stadt fährt, müssten die Fahrgäste nach Böblingen zweimal umsteigen“, sagt Michael Stierle, der Abteilungsleiter für Nahverkehr im Calwer Landratsamt. „Das Modell geht davon aus, dass das bei einer solch kurzen Strecke nur wenige machen.“

Wie sind jetzt die Chancen für eine verkürzte Bahn bis Weil der Stadt?

Am Ende entscheidet das Stuttgarter Verkehrsministerium. Denn das Land bezahlt die Hälfte der Investitionskosten für die Hesse-Bahn. Dort verweist man zwar auf die genannten Wirtschaftlichkeitsgutachten – zeigt sich aber nun offener. „Unter der Voraussetzung, dass sich alle Beteiligten auf eine baldige Umsetzung der Elektrifizierung und Betrieb als S-Bahn oder Express-S-Bahn verständigen, ist das Ministerium jedoch bereit, den Dieselbetrieb der Hermann-Hesse-Bahn als Vorlaufbetrieb zu betrachten“, teilt Uwe Lahl, der Amtschef des Verkehrsministerium, unserer Zeitung mit.

Was heißt Vorlaufbetrieb?

Es gibt ein anderes Gutachten, das zeigt, dass sich eine S-Bahn-Verlängerung bis Calw rechnen würde. Wenn also jetzt schon feststeht, dass später ohnehin die S-Bahn verlängert wird, dann würde das Verkehrsministerium eine Ausnahme erteilen – und sich mit der vorläufigen Hesse-Bahn zwischen Calw und Weil der Stadt zufrieden geben.

Wann steht das fest?

Das ist der große Knackpunkt. Eine Einigung zwischen allen Beteiligten müsste her, bevor Calw mit dem Umbau des Renninger Bahnhofs beginnt. Die Gespräche müssten also jetzt anlaufen. „Gerade jetzt sollten die Beteiligten den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen, sondern noch mal die bestmögliche Umsetzung durchdenken“, fordert darum Böblingens Landrat Roland Bernhard erneut. Schon im März habe er dem Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) geschrieben und um Gespräche gebeten. Bis diese zu einem Ergebnis kommen, fordert der Landrat, dass Calw noch keine Fakten schafft. Man solle mit dem Bau eines ersten Teilabschnitts beginnen. „Und dass der Abschnitt, der nach dem Willen aller am Stufenkonzept Beteiligten unstrittig ist, nämlich die Strecke zwischen Calw und Weil der Stadt“, sagt Roland Bernhard.

Was könnte sonst passieren?

Renningen hat noch einen Joker. Denn die Stadt könnte gegen die jetzt vom Regierungspräsidium erteilte Genehmigung beim Verwaltungsgericht Klage einreichen. Als der Gemeinderat zum Beispiel im Oktober 2017 über das Thema debattierte, hatte man sich den Klageweg bewusst offen gehalten. Das gilt auch weiterhin: „Wir halten uns bis auf Weiteres alle Optionen offen“, sagt der Beigeordnete Peter Müller. Wenn Renningen tatsächlich Klage einreicht, würde das das Bahnprojekt erneut um Jahre verzögern.