Mysteriöse Geschichten gibt es auf der ganzen Welt. Einige gruselige und zum Teil wahre Geschichten aus dem Rems-Murr-Kreis stellen wir in loser Folge vor: Die Geradstettener Hexenverfolgungen im Jahr 1668.

Remshalden - Stolz war man anno 1688 in Schorndorf auf seine Weiber. Die hatten, angeführt von der Bürgermeistersgattin Anna Barbara Walch-Künkelin, den Stadtkommandanten daran gehindert, Schorndorf schmählich an den französischen General Mélac zu übergeben. Weit weniger stolz waren dagegen knapp 20 Jahre zuvor einige Geradstettener Honoratioren auf zwei ihrer Mitbürgerinnen gewesen, die sie der Hexerei verdächtigten. Im Gegenteil: Mit vereinten Kräften brachten sie es schließlich Ende November 1668 dahin, dass eine der beiden, die Schneiderin Maria Rau „zur Wahrheitsfindung” in Schorndorf gefoltert wurde.

 

Ein angeblicher Krankheitszauber

Zunächst, so ist den Tübinger Gerichtsakten zur Causa Rau zu entnehmen, ist die Geradstettener Pfarrsfamilie der Meinung, die Bürgermeistersgattin und Hebamme Maria Laihlin habe die Schwägerin des Pfarrers mit einem Stück Brot und damit verbundenem Krankheitszauber derart verhext, dass diese mit Lähmungserscheinungen sowie Sprach-, Seh- und Hörstörungen darniederliegt.

Pfarrer Johannes Brand denunziert die Hebamme daraufhin unter anderem mit dem Hinweis, sie sei außerdem für die unverhältnismäßig hohe Anzahl an Totgeburten – 14 in drei Jahren – verantwortlich und mit der allseits als Hexe bekannten Schneiderin Maria Rau befreundet. Aus dem erhofften Hexenprozess wurde jedoch zunächst nichts, da die Bürgermeistersgattin nicht nur allgemein hohes Ansehen genoss, sondern auch noch sämtliche Unterstellungen widerlegen konnte.

Ersatzweise stieß jedoch kurze Zeit später der Schorndorfer Vogt Alexander Reinhardt auf eben die ortsweit verschriene Maria Rau. Auf Beschwerde des, nach eigenen Aussagen weiterhin unter „des Teufels und seiner bösen Diener Wüten und Toben“ leidenden Pfarrers, hatte sich Reinhardt Ende 1668 nochmals nach Geradstetten aufgemacht. Der Pfarrfamilie fielen plötzlich eine ganze Menge verdächtiger Worte und Gesten dieser Weibsperson ein, die sowieso „von Anfang an nix nutz gewesen“ sei. Der Hauptpunkt: Drei Wochen vor Ausbruch der Krankheit habe die Pfarrschwägerin beim Verlassen des Rauschen Hauses einen, heftiges Nasenbluten verursachenden, geheimnisvollen Schlag ins Gesicht erhalten, dabei habe es sich ja nur um Zauberei handeln können.

Die Schneiderin kommt in den Schorndorfer Malefizturm

Mit schlechtem Ruf, zu nichts nutz, in zweiter Ehe mit einem wesentlich jüngeren Mann verheiratet und auch noch von verschiedenen ehrbaren Bürgern der Hexerei bezichtigt; das reichte zusammen mit dem „Indiz“, sie habe sich nicht ausreichend gegen die Verdächtigungen gewehrt, die Schneiderin im April 1669 zu verhaften und in Schorndorf in den Malefizturm zu stecken.

Trotzdem gab es, verglichen mit anderen Fällen, doch noch ein fast positives Ende: Maria Raus Weigerung, unter Folterung ein Schuldbekenntnis abzulegen, wurde als Beweis ihrer Unschuld angesehen. Sie wurde im Januar 1670 freigelassen, musste aber Logis und Verpflegung im Gefängnis mit ihrem gesamten bescheidenen Vermögen bezahlen. Wie Maria Rau anschließend in der Geradstettener Dorfgemeinschaft wieder aufgenommen wurde, darüber ist weder den Archivmaterialien noch der Darstellungen des Falls der Geradstettener Hexenverfolgung in den Schorndorfer Heimatblättern etwas zu entnehmen.

Bekannt ist lediglich, dass ihr Gatte Christoph ob der frechen Behauptung, der Pfaff habe durch übermäßiges Prügeln seiner lieben Schwägerin Susanna deren Krankheit selbst verursacht, von demselben ebenfalls noch angezeigt wurde. Gatte Christoph wurde wegen übler Nachrede zu einem Gulden Strafe verurteilt wurde.