Reportage: Robin Szuttor (szu)

Der größte Schatz sind vielleicht die Neumann-Mikrofone, noch die der alten Generation, erkennbar an der lila Raute. „Davon haben wir noch einige rumliegen“, sagt Friedhelm Schulze. Die hellbraunen Veloursledersessel würden gut in einem Designmuseum stehen. Aber Schulze darf sie nicht verkaufen. Er muss auf sie achtgeben, denn sie gehören zum Denkmal Tonstudio wie die Hängelampen, die als leuchtend-rote Ufos über der cognacfarbenen Ledergarnitur schweben.

 

Das einzige, was einen neuen Anstrich bekam, war die nikotingelbe Wand an der Bar, wo vielleicht Pony Poindexter oder Horst Jankowski „Closter Mandarine“ süffelten oder die Uraltflasche „Dornkaat“ leerten, die da noch rumsteht. Jetzt sitzen die Jazzer der Band Bounce auf den Hockern und beginnen ihren Werktag. Sie spielen eine CD ein, drei Tage sind geplant. „Das mag sich esoterisch anhören, aber man spürt die Vibrations der Leute, die hier früher gespielt haben“, sagt der Trompeter Julian Hesse.

1982 verkaufte Brunner-Schwer das MPS-Label an die damalige Polygram. Im Studio wurde es still. 2004 starb der Vater der Villinger Jazzbewegung bei einem Autounfall. Sechs Jahre nach seinem Tod zog wieder Leben ein. „Man muss innerlich dafür brennen“, sagt Friedhelm Schulz, der zusammen mit Brunner-Schwers Sohn Mathias den Laden nun wieder zum Laufen bringt. Schulz kam Anfang der 70er nach Villingen, fand bald Anschluss an die Jazzszene um Brunner-Schwer, schrieb ein paar Texte für Bands. 2010 bekam er von der Erbengemeinschaft die Erlaubnis, das Studio weiterzuführen. „Wir wollen Jazz und Klassikaufnahmen in herausragender Qualität platzieren, gern auch Experimentelles“, sagt er. Da wächst wieder was Spezielles heran.

Auf Wunsch sind komplett analoge Aufnahmen möglich, über das Mastertape zur Vinylscheibe. Für das eigene Label produziert Schulz ein Dutzend Künstler pro Jahr: den ungewöhnlichen Baby Sommer, die geschmeidige Gee Hye Lee, den coolen Frank Kuruc. Manche brauchen ein paar Stunden für eine Platte, manche ein paar Tage. Bounce lassen an diesem Nachmittag das Saxofon keuchen, die Trompete singen, das Schlagzeug grooven, den Bass laufen. Zierle, der Tonmeister, sitzt am Pult. Die Jazzer spielen ohne Noten, ohne Schnitte. Danach hören sie sich ihr Lied an: Wenn es noch irgendwo hakt, spielen sie noch mal. Aber es klingt schon gut.