Im Februar ist Oberbürgermeisterwahl, die Kandidatensuche läuft. Die SPD zerfleischt sich, die Grünen sind unentschieden, die FDP ringt – nur die CDU hat ihren Mann gefunden.

Reutlingen - Es ist wie in einem Karussell, die einen sitzen fest auf ihrem Platz, andere haben alle Mühe, nicht hinausgeschleudert zu werden, und manche bleiben ganz außen vor. In Reutlingen geht es zurzeit rund. Da die Oberbürgermeisterin Barbara Bosch aus privaten Gründen auf die dritte Amtszeit im Rathaus verzichtet hat, sind die Parteien auf der Suche nach Kandidaten für die Wahl im Februar 2019. Und die Suche ist mühsam.

 

Während sich die SPD gerade zerfleischt, die FDP auf einen Vielleicht-Kandidaten setzt und die Grünen sich nicht entschieden können, hat die CDU als erstes ihren Favoriten gefunden. Seit vier Wochen macht Christian Schneider, der Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, in Reutlingen Wahlkampf. Der 54-jährige Jurist spaziert durch Stadtteile, hat seine durchgestylten Werbematerialien längst fertig und sammelt schon Stimmen, bevor sich die anderen überhaupt sortiert haben. „Ich halte das für eine ganz tolle Aufgabe“, sagt Schneider, der sich als „typischen Laufbahnbeamten“ bezeichnet und schon viele Stationen hinter sich hat, unter anderem als Vizepräsident des Regierungspräsidiums in Tübingen. Zu Reutlingen hatte er bisher im Gegensatz zu den anderen Kandidaten wenig Bezug.

Bei der SPD soll es ein Mitgliedervotum geben

Ordentlich Zwist gibt es bei der SPD. Dort glaubte eine Findungskommission, mit Philipp Riethmüller, dem persönlichen Referenten der Reutlinger Baubürgermeisterin, den idealen Mann für den Rathausjob gefunden zu haben. Eine Festlegung, die dem langjährigen SPD-Kommunalpolitiker und Betzinger Bezirksbürgermeister Thomas Keck so gar nicht gefiel. „Ich glaube, dass ich es holen könnte“, sagt der 55-Jährige, der gerne Fliege trägt und sich als bestens verdrahtet in Reutlingen beschreibt: 19 Jahre Kreistag, 24 Jahre Stadtrat, Vizepräsident im Vorstand des Schwäbischen Albvereins. Thomas Keck schrieb der Findungskommision einen Brief, in dem er sein Interesse am OB-Posten bekundet, und löste damit einen handfesten Streit aus. Die Mitglieder sollten sagen, wer ins Rennen gehen darf, forderte Keck, den es ärgerte, dass er „mal wieder übergangen worden war“.

Überrascht vom Auftauchen des Konkurrenten, zog Philipp Riethmüller zurück, er sei von einer parteiinternen Zustimmung zur Kandidatenauswahl ausgegangen. Ein Trugschluss. Der Ortsverein Reutlingen, dem der Favorit abhanden gekommen ist, will nun tatsächlich die Basis befragen: Das Mitgliedervotum ist auf den 30. November angesetzt. Bisher ist Thomas Keck der alleinige Bewerber.

Zögerlichkeit dominiert dagegen bei der FDP. Sie hatte sich recht rasch einen Bewerber ausgesucht, der seither wägt, ob er überhaupt ins Rennen will. „Ich bin am überlegen“, sagt Carl-Gustav Kalbfell, der Sozialbürgermeister in Leinfelden-Echterdingen. Der Jurist mit einem FDP-Parteibuch will bis Weihnachten eine Entscheidung fällen. Es ehre ihn, dass ihn die FDP vorgeschlagen habe, sagt der frühere Reutlinger Stadt- und Kreisrat, aber er will „eine Kandidatur nicht übers Knie brechen“. Kalbfell hat sich im vergangenen Juni bereits erfolglos um die Stelle als Sozialdezernent in Pforzheim beworben.

Bei den Grünen gab es bei der Abstimmung einen Patt

Wesentlich transparenter, dafür aber umso nervenaufreibender ist der Konkurrenzkampf bei den Reutlinger Grünen. Nach mehreren Wahlgängen blieb es vor Kurzem am Nominierungsabend bei einem Unentschieden zwischen der Kreisrätin Cindy Holmberg und dem Grünen-Stadtrat Holger Bergmann. Jeder von ihnen erhielt 19 Stimmen. Fast wäre gelost worden, doch die Runde wurde vertagt. Am 3. Dezember müssen die Mitglieder erneut ran, erweitert um die Grüne Jugend, die kurzfristig in die Runde der Abstimmungsberechtigen aufgenommen wurde.

Beide Kandidaten geben sich siegesgewiss: „Ich bin das Gesicht der neuen Grünen in Baden-Württemberg“, sagt Cindy Holmberg, 43 Jahre alt, Mitglied im Landesvorstand und nicht verlegen um knackige Sätze. „Wir sind zwar eine der sichersten Städte im Land, aber auch eine der langweiligsten.“ Holmberg arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin der grünen Reutlinger Bundestagsabgeordneten Beate Müller-Gemmeke.

Selbstbewusst ist auch Holger Bergmann, der lange Jahre als Entwicklungshelfer in Afrika war und jetzt als Controller bei einem Architekten arbeitet. „Wenn man seine Heimatstadt verändern will, kann man das am besten als Oberbürgermeister“, sagt der 57-Jährige, der sich jede Menge vorgenommen hat.

Vielfach aufgefordert zu kandidieren wurde Karsten Amann, der jüngste Neuzugang bei den Grünen und Unabhängigen im Reutlinger Gemeinderat. Der 45-jährige Rechtsanwalt und Präsident des SSV Reutlingen hat sich nach fast 20 Jahren als CDU-Stadtrat von den Konservativen verabschiedet – inhaltlich verortet er sich näher bei den Grünen. Es wäre sein Traum, den Job zu machen, sagt Amann. Aber als Vater einer Vierjährigen ist er familiär stark eingebunden. Deshalb hat er bisher allem Drängen widerstanden.