Auf der Suche nach Fachkräften und Start-up-Unternehmen soll die Wirtschaftsförderung der Region nun auch in Kalifornien auf Werbetour gehen.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Damit hat Walter Rogg, der Chef der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart (WRS), wohl in seinen kühnsten Träumen nicht gerechnet. Dass Kontrollorgane öffentlicher Einrichtungen die finanziellen Wünsche von Verwaltungen beschneiden, kommt häufiger vor. Dass aber ein Antragsteller, der zunächst knapp 600 000 Euro für ein neues Projekt zum internationalen Standortmarketing erbeten hatte, am Ende der Sitzung mit mindestens 100 000 Euro zusätzlich – und möglicherweise sogar noch mit deutlich mehr Geld – rechnen kann, das ist die absolute Ausnahme.

 

Es geht um die Frage, wie sich die Region im von allen Seiten mit großem Engagement betriebenen Wettbewerb um Hightech-Fachleute und attraktive Start-up-Unternehmen positionieren will und welche Maßnahmen ergriffen werden können, um den Nachwuchs in die Region zu locken. Ein kleiner Hinweis Roggs im Wirtschaftsausschuss des Verbands Region Stuttgart (VRS) hat dabei gereicht, um die Fantasien vieler Regionalräte geradezu zu beflügeln. „Man könnte ja auch angesichts der aktuellen Krise im Silicon Valley daran denken, dort auf Werbetour für den Wirtschaftsstandort Stuttgart zu gehen“, hatte Rogg erwähnt.

Die Regionalräte dringen auf Eile

In der Tat geht im einstigen Eldorado der Hightech-Industrie die Angst um. Entlassungen, Einstellungsstopps und Produktionsausfälle lassen die Befürchtungen vor einer Rezession wachsen, die viele der oft auch kleinen Technologieschmieden dort nicht überstehen könnten. Die Stuttgarter Hoffnung beruht nun darauf, dass angesichts dunkler Zukunftsperspektiven, hoher Mieten und erheblicher Umweltzerstörung im Silicon Valley etliche Fachkräfte einen Wechsel vom sonnigen Kalifornien in die wirtschaftlich nach wie vor boomende Region Stuttgart erwägen – oder besser noch wagen – könnten. Allerdings fürchten viele Regionalräte, dass auch andere Regionen die missliche Lage im Silicon Valley erkennen und ausnutzen könnten – und drängen deshalb zur Eile.

Immerhin: Die Vorarbeit hat die WRS bereits geleistet. Im Ausschuss hat Walter Rogg das neue Programm „Hi Tech!“ vorgestellt, das sich ursprünglich nur an die Hightech-Elite im Schengener Raum und in Israel richten sollte. Die Region soll dabei mithilfe verschiedener Maßnahmen über Baden-Württemberg und Deutschland hinaus als attraktiver Standort dargestellt werden, in dem, so Rogg, „Forschung und Entwicklung, Arbeit und Modernität ineinandergreifen“. Die Region sei eine „Community bestehend aus einem einzigartigen, engmaschigen Netzwerk von weltbekannten Marktführern, Hidden Champions und innovativen Familienunternehmen, die in zukunftsfähigen und populären Technologiefeldern wirken“. Den angesprochenen Fachkräften stellt er neben „ausgezeichneten beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten in zukunftsfähigen Branchen eine offene Willkommenskultur und einen Standort mit hoher Lebensqualität“ in Aussicht.

Mehrwöchige Intensivprogramme für Interessierte

Zentraler Baustein des Angebots ist der englischsprachige Internetauftritt http://wesayhi.tech. Dort werden nicht nur der Standort sowie Unternehmen als potenzielle Arbeitgeber vorgestellt. Es gibt auch eine Übersicht über Unterstützungs- und Kooperationspartner für Start-ups sowie Community-Angebote wie bereits etablierte Social-Media-Gruppen im Technologie- und Freizeitbereich. Informationen zum Leben und Arbeiten in Deutschland runden das Informationspaket ab.

Ein weiterer Baustein ist ein Start-up-Welcome-Package, bei dem ambitionierten Firmengründern mehrwöchige Intensivprogramme, Arbeitsplätze in einem Co-Working-Space, Beratungs-und Coaching-Maßnahmen zu Themen wie GmbH-Gründungen, Ansiedlung, Steuer und Arbeitsmarkt sowie die Vermittlung von Kooperationspartnern angeboten werden.

Der erste Testlauf war erfolgreich

Einen ersten Testlauf hat es bereits gegeben. Aus 18 Bewerbungen sind sechs standortrelevante Start-ups aus Norwegen, Litauen, Portugal, Frankreich und Uruguay ausgewählt worden, die ihre Tätigkeitsschwerpunkte im Bereich digitale Transformationsprozesse: Softwareentwicklung, Datenanalyse, IT-Service und IT-Consulting haben. Das Interesse an einer dauerhaften Ansiedlung sei groß, sagt Rogg. Im kommenden Jahr sind drei Neuauflagen geplant.

Dabei könnten, so die Hoffnung vieler Regionalräte, dann auch schon einige Bewerber aus dem Silicon Valley zum Zug kommen. Dem Vorschlag der Grünen, für ein Sofortprogramm spontan 100 000 Euro zusätzlich zur Verfügung zu stellen, mochte die Mehrheit allerdings nicht folgen – mit einer durchaus bemerkenswerten Begründung: Man wisse ja nicht, ob 100 000 Euro überhaupt ausreichen würden, um eine solche Kampagne im Silicon Valley zu platzieren. Da aber die Zeit dränge und man gerne vor konkurrierenden Regionen auf Fachkräftejagd gehen möchte, wurde Walter Rogg beauftragt, zeitnah zu ermitteln, wie viel Geld er für das Projekt Silicon Valley zusätzlich braucht. Noch in diesem Jahr soll dann bei den Haushaltsberatungen eine Entscheidung fallen.