Bis Ende 2026 sollen alte Säulentoiletten ersetzt sein. Auf die europaweite Ausschreibung meldeten sich zwei Bieter – mit einem Preisunterschied in zweistelliger Millionenhöhe.

In der Landeshauptstadt hat eine neue Zeitrechnung begonnen. Die der voll automatisierten öffentlichen Toilettenanlage, bei der nicht nur das WC, sondern auch der Boden nach jeder Benutzung mit Wasser gespült wird. Und das kostenfrei. Das erste Häuschen mit drei Kabinen hat am Rand des Marienplatzes Aufstellung genommen, mit Glasfassade im RAL-Ton 249005, „Bleuweiß“. Eigentlich sollten bis Jahresende 34 dieser Anlagen stehen, die die alten Säulentoiletten ersetzen. Sieben davon an neuen Plätzen wie der Villa Berg, der Egelseer Heide, dem Max-Eyth-See, Hohenheimer Park, im Lindenschulviertel oder Am Weißenhof. Nun hat die Stadt die Vollausstattung bis Ende 2026 angekündigt. In den Außenbezirken sollen die Häuschen weniger urban wirken, sie erhalten eine Holzfassade. Der Gestaltungsbeirat hatte die Auswahl mitbestimmt.

 

Kein Obolus mehr

Die verbesserte Hygiene hat ihren Preis. Das Für und Wider öffentlicher Bedürfnisanstalten, ihr Fehlen, ihre Ausstattung und die Höhe des dem Bürger auferlegbaren Obolus hat Generationen von Stadträten beschäftigt. Ende 2021 rang sich der Gemeinderat zur künftig kostenlosen Benutzung durch, der Bestand konnte aber wegen fehlender Software-Unterstützung nicht mehr umgestellt werden. Da man keine Einnahmeerzielungsabsicht mehr verfolge, so die Warnung des Revisionsamtes, könne dann auch keine Vorsteuer mehr abgezogen werden. Ende November 2024 stimmte der Verwaltungsausschuss der kostenlosen Nutzung dennoch endgültig zu.

Die neuen Örtchen verkörpern Hightech, auch wenn sie diese mit ihren dunklen Böden, viel Edelstahl und der laut Hersteller hohen Vandalismusresistenz nicht offensichtlich vermitteln. Ganz billig ist die Sache nicht. Die Stadt hatte die Lieferung der Lokalitäten europaweit ausgeschrieben, Mitte 2023 präsentierte sie ein weit streuendes Ergebnis. Die Firma Sanitronics aus Rotterdam veranschlage für zunächst 27 Einheiten einen Kauf- oder Kampfpreis von 5 681 124 Euro. Die Firma Hering Sanikonzept Burbach, errechnete 9 042 004 Euro. Bei den Betriebs- und Wartungskosten für 15 Jahre war der Unterschied ebenso eklatant: Sanitronics bot sie für 8,25, Hering für 18,9 Millionen Euro an.


Sanierungsstau bei vielen Anlagen

Weil Sanitronics sogar das von der Stadt erwartete Ausschreibungsergebnis unterschritt, wurde in Rathaus nachgerechnet. Das Angebot sei „auskömmlich“, hieß es, die Niederländer erhielten den Zuschlag – für in Summe 13,9 Millionen Euro. Der Preis machte als Entscheidungskriterium nur 30 Prozent aus, wichtiger war die Gestaltung (40), es folgten Funktionalität/Nachhaltigkeit sowie das Betriebskonzept (je 15 Prozent). Zur Sanitronics-Rechnung kommen für die Stadt 1,8 Millionen Euro für Anpassungsarbeiten und 700 000 Euro Planungsmittel hinzu. Inzwischen hat die Stadt noch sieben Einheiten nachgeordert, dafür könnten rund 3,5 Millionen Euro fällig werden, in Summe macht das dann für 15 Jahre etwa 20,8 Millionen.

Nicht nur die neuen, alle Toiletten der rund 75 öffentlichen Toilettenanlagen in der Stadt fallen in das Hoheitsgebiet des Abfallwirtschaftsamtes (AWS). Bei vielen haben sich „ein Sanierungsstau ergeben“, stellte AWS 2022 fest. Man wolle ein Konzept für die Abwicklung der Sanierungen entwickeln. Für den Betrieb aller Örtlichkeiten erhielt das Tochterunternehmen der Stadt 2023 rund 3,2 Millionen Euro.