Eva Rothermund von der Universität Ulm erklärt, was hinter dem Phänomen Burnout steckt. Und sie zeigt Strategien gegen die chronische Stressreaktion auf.

Stuttgart - Es gibt keine Diagnose Burnout“, stellte Eva Rothermund zu Beginn ihres Vortrags „Burnout – urlaubsreif oder schon krank“ klar. Der Begriff Burnout sei aber ein guter Einstieg, um mit Betroffenen ins Gespräch zu kommen. So könne man herausfinden, wie sehr die Menschen gestresst seien, ob dieser Stress schon chronisch sei und welche körperlichen und seelischen Folgen dies habe, sagte die Medizinerin von der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Uniklinik Ulm im voll besetzten Hörsaal bei der Leser-Uni an der Uni Hohenheim.

 

Bei der Erklärung, wie dieser Stress entstehen kann, nimmt Rothermund die Leser mit auf eine Reise in die Vergangenheit. Man möge sich in die Steinzeit zurückversetzen: Der Steinzeitmensch kehre mit anderen nach erfolgreicher Jagd entspannt plaudernd zurück in die Höhle. Doch plötzlich raschelt es im Gebüsch – die Steinzeitmenschen werden ebenso mucksmäuschenstill wie die Leser im Hörsaal: „Bei Gefahr wird der Körper in Alarmbereitschaft versetzt, mit vielen Folgen, der Mund wird trocken, der Herzschlag erhöht sich, die Verdauung wird zurückgefahren und vieles andere mehr“, berichtet die Medizinerin.

Schließlich gehe es darum, einschätzen zu können, welche Reaktion angemessen sei: Flucht, Kampf oder tot stellen – also um das Überleben. Und bis heute reagiert der Körper des Menschen in einer Stressreaktion wie vor Urzeiten – auch wenn der Ärger am Arbeitsplatz oder der Streit mit dem Nachbarn normalerweise nicht tödlich endet.

Die totale Erschöpfung ist oft auch gepaart mit Angstzuständen

Wenn diese Reaktion jedoch ständig wiederkehrt und andauert, hat dies Folgen und es kann zu einer emotionalen Erschöpfung kommen, man fühlt sich ausgelaugt. Hält dies an, folgen körperliche Reaktionen ebenso wie psychische: Das können Rücken- und Schlafprobleme ebenso sein wie Bluthochdruck und sehr häufig Depressionen. Die totale Erschöpfung ist oft auch gepaart mit Angstzuständen. Oder Betroffene versuchen, sich mit Alkohol zu beruhigen, was nicht selten in einer Abhängigkeit, einer Sucht endet.

„Es trifft die Menschen häufig am Arbeitsplatz, kann aber ebenso im Privatleben auftreten, beispielsweise bei der Pflege von Angehörigen“, sagt Rothermund. Am Arbeitsplatz etwa könne die ständige Erreichbarkeit in chronischen Stress münden. Dabei hänge es davon ab, wie viel Kontrolle der Betroffene noch darüber habe. Bekomme man beispielsweise ein Dienst-Handy, so könne sich der Betroffene fragen, ob er denn noch ins Kino gehen könne und ob er auch im Urlaub erreichbar bleiben müsse. Kann man denn in Zeiten der ständigen Erreichbarkeit das Telefon auch ausschalten? „Wenn die Anforderungen im Job zu hoch werden, die Kontrolle über das Arbeitsleben aber niedrig ist, ist die Gefahr einer dauerhaften Erschöpfung gegeben“, so Rothermund.

Wichtig ist die soziale Einbindung am Arbeitsplatz

Die soziale Situation am Arbeitsplatz sei immens wichtig, führt sie weiter aus: Unfaires Verhalten der Kollegen, Mobbing, Statuskränkungen, wenn etwa der Kollege befördert wird, spielen dabei eine Rolle ebenso wie der Chef: „Bei einem vertrauensvollen Verhalten von Führungskräften gibt es weniger Krankheiten in der Belegschaft“. Wer an seinem Arbeitsplatz sozial eingebunden sei und sich wohl fühle, sei auf der sicheren Seite, sagt Rothermund und führt eine Studie an, die besagt, dass „das soziale Eingebundensein die Sterblichkeit verringert“. Vergleichbar sei dies mit dem Verzicht auf Zigaretten, man verlängere mit der sozialen Einbindung seine Lebenserwartung auf Dauer mehr als der Verzicht auf 15 Zigaretten am Tag dies erreiche.

Rothermund rät, die sozialen Faktoren im Blick zu haben: Der Kontakt mit anderen sei wichtig, reden helfe und über die eigenen Bedürfnisse könne man verhandeln. „Und wenn es mit einem Kollegen richtig schief läuft, dann sollte man diesem nicht grummelnd aus dem Weg gehen, sondern stattdessen zusammen essen“, sagt sie zum Abschluss.