Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

„Kevin, was würde Ihnen guttun?“ – „Meine Beziehung zu Lisa zu vergessen.“ Das gelinge erst, sagt Spauszus, wenn er verstehe, was passiert sei, warum er sich genau diese Freundin ausgesucht habe und warum die Beziehung so war, wie sie war.

 

Zweite Sitzung: Franca Spauszus lässt Kevin auf ein Blatt Papier alles notieren, was ihm zu der Partnerschaft mit seiner ehemaligen Freundin einfällt. Alles, was die beiden verbunden hat. Dann reicht sie ihm eine Schere, eine Schale aus Metall und Streichhölzer: „So, und nun trennen Sie sich symbolisch.“ Kevin schneidet das Blatt Papier in kleine Stücke, dann zündet er die Schnipsel an. Auf diese Weise habe sie mit ihren Klienten schon viele Liebesbeziehungen begraben, sagt die Therapeutin.

Kevin erscheint das Ritual absurd. Er glaube nicht an so etwas, sagt er. Franca Spauszus meint, die Übung wirke unterbewusst: „Die macht etwas mit Ihnen.“ Nicht sofort, aber in ein bis zwei Tagen werde er es spüren, kündigt sie am Ende der Sitzung an. Ob er noch einmal kommen wolle, stelle sie ihm frei. Er solle sich einfach melden.

Knapp drei Wochen später meldet sich Kevin tatsächlich wieder – per E-Mail: „Aus meiner Perspektive haben sich keine Wunder eingestellt. Trotzdem oder gerade deswegen würde ich gerne zu Ihnen kommen.“

Er muss die Wut rauslassen

Und so sitzen sich Kevin und Franca Spauszus erneut in der Praxis im zweiten Stock des kleinen Einfamilienhauses auf zwei Sesseln gegenüber. Er habe „reichlich reflektiert“, sagt Kevin. Sein dominierendes Gefühl sei Enttäuschung. „Sie sind von zwei Menschen verraten worden: von ihrer Freundin und von ihrem Freund“, sagt Spauszus. „Das ist doppelt schlimm.“ Kevin habe eine sehr abhängige Beziehung geführt – nur noch Zeit mit der Freundin verbracht, alles andere im Leben vernachlässigt. Eine Beziehung funktioniere auf Dauer aber nur, wenn jeder sein eigenes Leben nicht ganz aufgebe. Um nicht wieder in so eine Abhängigkeit zu geraten, müsse sich Kevin darüber klar werden, was er vom Leben erwarte, was ihm wichtig sei – und sich seine künftige Partnerin danach aussuchen. Vor allem müsse er etwas finden, wo er seine Wut rauslassen könne – etwa Joggen oder Boxen. „Sie müssen nicht alles aushalten wie ein Krieger“, rät sie. „Gefühle wollen gefühlt werden.“ Kevin nickt.

In der ersten Sitzung hört sie sich lediglich Kevins Geschichte an und fragt an manchen Stellen nach. „Was haben Sie gemacht, als sich Lisa von Ihnen getrennt hat? Wie haben Sie reagiert?“ – „Geweint“, antwortet Kevin.

„Fight, flight and freeze“

Franca Spauszus versucht zu erklären, dass es unterschiedliche Möglichkeiten gebe, wie ein Mensch auf Schock, Angst oder unangenehme Situationen reagiere. Kevin unterbricht sie wie ein eifriger Schüler, der die richtige Antwort bereits weiß. „Fight, flight and freeze“, zählt er die Möglichkeiten auf – kämpfen, flüchten oder erstarren. „Ich bin der Typ, der flüchtet.“ Noch während des Trennungsgesprächs sei er weggelaufen. Kein Streit, keine Vorwürfe.

Wie seine Ex-Freundin die Trennung begründet habe, will Franca Spauszus nun wissen. „Sie hat mir unterstellt, ich würde sie nicht mehr lieben, deswegen wolle sie nicht mehr mit mir zusammensein.“ Für ihn habe sich das nach einer Ausrede angehört. „Sie hat Ihnen den Schwarzen Peter zugeschoben“, stellt Franca Spauszus fest.

Der Therapeutin geht es in der Liebeskummerpraxis zunächst darum, dass die Klienten ihre Gefühle sortieren. Auf bunte Karteikarten schreibt sie mögliche Gefühle auf: Wut, Trauer, Eifersucht, Hoffnung und Enttäuschung. „Fühlen Sie Zorn?“, fragt sie Kevin. „Eher auf meinen besten Freund als auf Lisa“, sagt er. Kevin redet nicht gern über seine Gefühle. Die Therapeutin hat eine Beobachtung gemacht: „Wenn Sie wütend sind, kneifen Sie sich immer in die Backe.“ Kevin macht diese Bemerkung nur noch verlegener. Das Gespräch fällt ihm sichtlich schwer, ab und zu hat er eine Träne in den Augen. „Sie lassen Ihre Wut nicht richtig zu“, diagnostiziert Spauszus. – „Ja, vielleicht.“ – „Sagen Sie doch einfach mal ‚verdammte Scheiße‘ und hauen mit Ihrer Hand auf den Sessel!“ Kevin tut wie ihm geheißen, doch nach großer Wut sieht das nicht aus. Er ist eben kein emotionaler Typ.

Eine Liebesbeziehung wird begraben

Viele Liebeskummerpatienten halten Gefühle wie Wut und Zorn verdeckt. Warum ist das so? „Das sind Emotionen, die uns Angst machen“, erklärt die Psychotherapeutin. „Wir haben Angst, dass es uns mitreißt, dass wir die Kontrolle verlieren.“

Verbrannte Liebe

„Kevin, was würde Ihnen guttun?“ – „Meine Beziehung zu Lisa zu vergessen.“ Das gelinge erst, sagt Spauszus, wenn er verstehe, was passiert sei, warum er sich genau diese Freundin ausgesucht habe und warum die Beziehung so war, wie sie war.

Zweite Sitzung: Franca Spauszus lässt Kevin auf ein Blatt Papier alles notieren, was ihm zu der Partnerschaft mit seiner ehemaligen Freundin einfällt. Alles, was die beiden verbunden hat. Dann reicht sie ihm eine Schere, eine Schale aus Metall und Streichhölzer: „So, und nun trennen Sie sich symbolisch.“ Kevin schneidet das Blatt Papier in kleine Stücke, dann zündet er die Schnipsel an. Auf diese Weise habe sie mit ihren Klienten schon viele Liebesbeziehungen begraben, sagt die Therapeutin.

Kevin erscheint das Ritual absurd. Er glaube nicht an so etwas, sagt er. Franca Spauszus meint, die Übung wirke unterbewusst: „Die macht etwas mit Ihnen.“ Nicht sofort, aber in ein bis zwei Tagen werde er es spüren, kündigt sie am Ende der Sitzung an. Ob er noch einmal kommen wolle, stelle sie ihm frei. Er solle sich einfach melden.

Knapp drei Wochen später meldet sich Kevin tatsächlich wieder – per E-Mail: „Aus meiner Perspektive haben sich keine Wunder eingestellt. Trotzdem oder gerade deswegen würde ich gerne zu Ihnen kommen.“

Er muss die Wut rauslassen

Und so sitzen sich Kevin und Franca Spauszus erneut in der Praxis im zweiten Stock des kleinen Einfamilienhauses auf zwei Sesseln gegenüber. Er habe „reichlich reflektiert“, sagt Kevin. Sein dominierendes Gefühl sei Enttäuschung. „Sie sind von zwei Menschen verraten worden: von ihrer Freundin und von ihrem Freund“, sagt Spauszus. „Das ist doppelt schlimm.“ Kevin habe eine sehr abhängige Beziehung geführt – nur noch Zeit mit der Freundin verbracht, alles andere im Leben vernachlässigt. Eine Beziehung funktioniere auf Dauer aber nur, wenn jeder sein eigenes Leben nicht ganz aufgebe. Um nicht wieder in so eine Abhängigkeit zu geraten, müsse sich Kevin darüber klar werden, was er vom Leben erwarte, was ihm wichtig sei – und sich seine künftige Partnerin danach aussuchen. Vor allem müsse er etwas finden, wo er seine Wut rauslassen könne – etwa Joggen oder Boxen. „Sie müssen nicht alles aushalten wie ein Krieger“, rät sie. „Gefühle wollen gefühlt werden.“ Kevin nickt.

Manchmal kommen Menschen zu Franca Spauszus, die unter extremem Liebeskummer leiden. Menschen, die in Depressionen verfallen oder an psychosomatischen Störungen leiden. Wenn sie sieht, dass der ständige Herzschmerz ihre Klienten krank macht, schickt sie sie zum Arzt.

In Kevins Fall hält Franca Spauszus das nicht für notwendig. Er sei jung, ein neues Glück werde ihn seine verflossene Liebe vergessen lassen. In zwei Monaten hat Kevin das Abi in der Tasche, danach zieht er für ein freiwilliges gemeinnütziges Jahr in eine andere Stadt. Die tägliche Konfrontation mit der Ex-Freundin und dem ehemaligen besten Freund ist dann vorbei. In dem neuen Umfeld wird es Kevin leichter fallen, mit der Vergangenheit abzuschließen. Davon ist Franca Spauszus überzeugt.