Die Stuttgarter Heidehof-Stiftung unterstützt seit zwölf Jahren ein Sozialzentrum in Sanski Most. Eindrücke aus dem geschundenen Ort.

Stuttgart/Sanski Most - Michael Brenner fährt nach Bosnien. Wieder einmal. Sein Ziel ist Sanski Most, eine geschundene Stadt hundertfünfzig Kilometer nördlich von Sarajevo. Sie hat schon bessere Tage erlebt. Lange her. Der Balkankrieg hat das ehemalige Jugoslawien zerrissen, ungezählte Menschen wurden getötet, viele Familien entwurzelt. In Städten wie Sanski Most sind die Folgen zu sehen. Die Arbeitslosenquote dürfte bei 50 Prozent liegen, mindestens. Die Straßen sind leer. Wohnhäuser und Geschäfte stehen zum Verkauf. Vor dem Krieg lebten hier rund 70 000 Leute. Wie viele es heute sind, scheint niemand zu wissen. Die Angaben schwanken zwischen 18 000 und 50 000. Viele Restaurants öffnen nur im Sommer für ein paar Wochen, wenn ein paar Tausend Exilbosnier die alte Heimat besuchen.

 

Michael Brenner war schon oft in Sanski Most, der 51-Jährige ist Geschäftsführer der Stuttgarter Heidehof-Stiftung. Bei diesem Besuch bringt er ein Auto mit – ein Geschenk für die bosnischen Partner vom Verein Fenix, der am Stadtrand ein Sozialzentrum betreibt.

Ein bitterkalter Februartag. Eine dicke Schneedecke hat sich über die Balkanstaaten gelegt. Das Leben in Sanski Most ist noch beschwerlicher als sonst. Wer es irgendwie einrichten kann, verlässt die Stadt, um im Westen sein Glück zu suchen – in Deutschland, in Österreich, wo auch immer. Hauptsache weg. Zurück bleiben die Alten und die Kranken, angewiesen auf Hilfe, die der junge Staat Bosnien-Herzegowina offenkundig nicht leisten kann. Deshalb engagiert sich die Stiftung aus Schwaben bereits seit 13 Jahren hier.Viele Bürger beklagen den Stillstand. Die Leiterin des Fenix-Altenheims, Emina Sehic, sagt sogar: „Die Lage wird immer schlimmer.“ Die meisten Politiker dächten nur an sich, viele Beamte seien korrupt. Der Sozialpädagoge und Betriebswirt Michael Brenner erlebt bei seinen Besuchen in Bosnien hautnah, unter welch erbärmlichen Bedingungen manche Bosnier seit mehr als einem Jahrzehnt leben. Fenix, sagt er, sei wie ein gallisches Dorf. „Unsere Oase“, nennt Emina Sehic die eingefriedeten schlichten Neubauten. Die 48-jährige Heimleiterin und die Chefin des Sozialzentrums, die 38-jährige Adisa Hotic, trotzen mit ihren zwei Dutzend Mitarbeitern den widrigen Bedingungen.

1997 wurde das Mutter-Kind-Haus eröffnet

„Hier fühlen wir uns gut und beschützt“, sagt Sehic. Während des Kriegs waren sie wie mehrere Hunderttausend andere Bosnier nach Deutschland geflüchtet. Nach ihrer Rückkehr bauten die beiden Frauen, die fast perfekt Deutsch sprechen, Fenix auf. Das Zentrum solle helfen, dass die Stadt eines Tages aufersteht – „wie Phönix aus der Asche“, sagt Adisa Hotic und lacht.

1997 wurde das Mutter-Kind-Haus eröffnet mit Angeboten für Schwangere und Stillende, dann wurden die Wasch- und die Armenküche eingerichtet, ein betreutes Seniorenbad, Beratungs- und Behandlungsräume für Bedürftige. Vor ein paar Jahren hat Fenix das Altenheim mit 50 Plätzen eingeweiht. Es soll eines Tages Gewinne abwerfen, damit sich die anderen Dienste irgendwann auch ohne Hilfe aus dem Westen tragen.

Bei diesem Besuch haben Michael Brenner und sein Begleiter Manfred Huber, der ehemalige Koch des Heidehof-Altenhilfezentrums in Gerlingen, außer dem gebrauchten Opel Zafira ein paar Tipps für Küche und Kassenführung mitgebracht. Das Altenheim, sagt Brenner, sei ein „Geschäftsmodell der Zukunft“ für Bosnien. Das hört sich zwar gut an, kann aber für das Land lediglich ein Mosaiksteinchen einer besseren Zukunft sein. Die Heimplätze kosten umgerechnet rund 500 Euro pro Monat. Die meisten Bewohner können sich das Heim nur leisten, weil Angehörige bezahlen, die im Westen leben und arbeiten.

Essen auf Rädern für die Ärmsten der Armen

Mit dem geschenkten Wagen aus Deutschland werden künftig warme Mahlzeiten an die Ärmsten der Armen ausgeliefert, an Männer und Frauen, die ein menschenunwürdiges Leben fristen. Manche haben überhaupt kein Einkommen, oder sie beziehen Sozialhilfe – etwa 25 Euro im Monat. Das ist auch in Bosnien fast nichts. Eine preiswerte Mahlzeit kostet drei, vier Euro. Viele Lebensmittel im Supermarkt haben ähnliche Preise wie in Deutschland.Jeden Mittag packt ein Fenix-Mitarbeiter rund 50 warme Essen in einfache Plastikeimerchen. Dann werden die Männer und Frauen versorgt, die zu schwach und zu krank sind, um zur Armenküche zu gehen.

Einer dieser Hilfeempfänger haust im Untergeschoss des Verwaltungsgebäudes eines längst stillgelegten Kohlebergwerks mitten im Dreck. Das Haus hat keine Fensterscheiben, die Öffnungen in den Wänden sind notdürftig mit Pressspanplatten verrammelt, heizen kann der Bewohner gar nicht – bei Temperaturen von minus zehn Grad und weniger. Ohne große Worte nimmt der Mann sein Essen in Empfang, dann verriegelt er die Pforte seiner Unterkunft schnell wieder. Der betagte Mann schäme sich, wolle die fremden Besucher aus Deutschland deshalb nicht einlassen, sagt Husein Medenhodzic, der täglich seine Runde durch die Stadt und die umliegenden Dörfer fährt. Er kennt die Lebensgeschichten seiner Kunden.

Die Frau, die in einem Haus am Ende einer Sackgasse wohnt, ist psychisch krank, sie hat niemanden, und sie hat auch keinerlei Einnahmen. Gelegentlich kümmern sich die Nachbarn um sie. Nächster Stopp, nächstes Schicksal: die alte Frau, die hier die Türe öffnet, ist todkrank. Sie freue sich, dass die Leute von Fenix einmal am Tag vorbeikommen „und nachsehen, ob ich noch lebe“, sagt sie.

Obstbäume und Gemüsebeete für die Selbstversorgung

Nach gut zwei Stunden ist der Fahrer zurück im Altenheim, wo den Bewohnern das gleiche Essen serviert wird. Eine alte Frau sitzt draußen auf der Terrasse in einem hölzernen Lehnstuhl, zieht an einer Zigarette und genießt die Ruhe. Drinnen fragt ein alter Mann die Besucher aus Baden-Württemberg, warum Deutschland bei der Handball-EM so schlecht gespielt habe. Er grinst verschmitzt. Dann erzählt er mit Tränen in den Augen von seinem Leben: von zwei Schlaganfällen und von seiner Frau, die noch in Deutschland lebt und seinen Heimplatz bezahlt. „Ich bin traurig und doch zufrieden hier“, sagt er leise in gebrochenem Deutsch, dann trottet er, seine Gehhilfe schiebend, davon. Die anderen Bewohner sitzen beieinander und unterhalten sich, andere hocken ganz allein, in sich versunken und starren ins Leere. Michael Brenner sagt: „Manche sind eigentlich falsch hier. Man müsste was für psychisch Kranke machen.“

Es gibt noch viel zu tun in Sanski Most. Adisa Hotic und ihr Mann, der auch bei Fenix angestellt ist, haben viele Ideen. Ganz wichtig sei die Selbstversorgung, deshalb soll demnächst hinter dem Haus eine Plantage mit Obstbäumen und Gemüsebeeten in Gewächshäusern angelegt werden. Hilfe zur Selbsthilfe – so könnte man den Ansatz der Heidehof-Stiftung beschreiben.

Und lieber vorübergehend auf die Tilgung des zinslosen Kredits verzichten, aber dafür die Anschaffung eines Kühlraums ermöglichen, damit Fenix das anlässlich des islamischen Opferfests tonnenweise gespendete Fleisch aufbewahren kann.

Vor der Rückreise schlägt Brenner Adisa Hotic vor, eine „Geberkonferenz“ einzuberufen – Fenix wird auch von anderen Einrichtungen aus Deutschland unterstützt, etwa von der Bremer Stiftung Die Schwelle. Die Herren von der Heidehof-Stiftung kommen spätestens im Sommer wieder. Dann wollen sie Küchengeräte und Kinderspielzeug mitbringen – und neue Ideen.

Stiftung Die Heidehof-Stiftung ist 1971 von den Nachkommen des Firmengründers Robert Bosch ins Leben gerufen worden. Sie firmiert als gemeinnützige GmbH, es gibt acht Gesellschafter und vier Geschäftsführer. Das Stiftungsvermögen beträgt etwa 80 Millionen Euro. Ausgeschüttet werden jährlich rund zwei Millionen Euro. Gefördert werden Projekte und Einrichtungen in den Bereichen Bildung, Behindertenförderung, Gesundheit, Soziales und Ökologie – bundesweit und im Ausland. Zu den eigenen Einrichtungen gehört das Altenhilfezentrum Gerlingen. Die Heidehof-Stiftung lobt gemeinsam mit der Bosch-Stiftung den renommierten Deutschen Schulpreis aus.

Fenix Der Verein Fenix in Sanski Most wird seit 1999 von der Heidehof-Stiftung gefördert, bis dato mit einer halben Million Euro. Zudem hat Fenix für das Altenheim einen zinslosen Kredit in Höhe von 250 000 Euro erhalten. art

//Weitere Infos im Internet

www.heidehof-stiftung.de www.centar-fenix.org