Die Schwäbische Tafel hat Peter Schad einen Sprinter überlassen. Damit kann er mit seiner mobilen Suppenküche bedürftige Menschen mit Backwaren, Obst, Gemüse und leicht Verderblichem beliefern. Hilfe für Nachbarn übernimmt für ein Jahr die Unkosten.
Schneckennudeln und Kuchen kann sich der Rentner nicht leisten: An diesem Spätnachmittag aber ist es ein wenig so, als käme eine gute Fee zu ihm an die Wohnungstür. „So viel bringst du mir heute“, strahlt der 73-Jährige. Peter Schad, der Lebensmittelretter und Wohltäter für viele, bei denen Mitte des Monats schon nichts mehr in der Haushaltskasse ist, reicht ihm den Karton mit Backwaren. „Süßes und Salziges habe ich dir mitgebracht“, sagt er – und auch er freut sich, denn Helfen ist ihm eine Herzensangelegenheit. Rund 50 Haushalte beliefert er jede Woche mit nicht mehr verkäuflichen Lebensmitteln. Aus diesem Grund wurde er 2015 zum Stuttgarter des Jahres gewählt.
Nach 20 Jahren drohte das Aus Schads Projekt seiner „mobilen Suppenküche“ war jetzt nach über 20 Jahren beinahe zum Scheitern verurteilt, denn der Sprinter, mit dem er die Lebensmittel transportierte und dem ihm eine gemeinnützige Organisation zur Verfügung gestellt hatte, war im Herbst 2023 kaputtgegangen: wirtschaftlicher Totalschaden nach mehreren Hunderttausend Kilometern. Ein Ersatz war nicht in Sicht. Schad, der selbst von einer Erwerbsminderungsrente lebt, lieferte fortan mit seinem betagten Corsa aus. Aber die Mengen an Lebensmitteln passten nicht in den Kleinwagen, und so musste er viele zusätzliche Fahrten machen.
Als Ingrid Poppe, Projektleiterin bei der Schwäbischen Tafel, von seiner misslichen Lage in der Zeitung gelesen hatte, war sie entschlossen: „Da muss man was tun. “ Auch mehrere Leser und Leserinnen haben spontan für seine Suppenküche gespendet, und es gab zwei Angebote für Ersatzfahrzeuge. Deren Unterhalt und die hohen Spritkosten für die wöchentlichen Touren durch die ganze Region kann Schad jedoch aus eigener Tasche nicht aufbringen. So war der Vorschlag der Schwäbischen Tafel ein absoluter Glücksfall: Sie beschäftigt Schad fortan als ehrenamtlichen Mitarbeiter mit Sonderaufgaben, stellt ihm einen ausgedienten, aber generalüberholten Sprinter zur Verfügung und übernimmt die Kosten für Sprit und den Unterhalt.
Die Tafel rettet das Projekt „Jede Ausgabe ist für uns natürlich ein Kraftakt, auch wenn es ein altes Fahrzeug ist, das wir Herrn Schad überlassen“, rechnet Ingrid Poppe vor. Die Tafel finanziert sich zum größten Teil selbst aus Spenden. So hat „Hilfe für den Nachbarn“, die Benefizaktion der Stuttgarter Zeitung, die großzügigen Geldspenden der Leser und Leserinnen weitergegeben sowie einen weiteren Betrag obendrauf gelegt, sodass die mobile Suppenküche für ein Jahr gesichert ist. Danach muss ein neues Finanzierungsmodell gefunden werden, zum Beispiel durch einen Sponsor.
Die süßen Stückle und die Brötchen aus einer großen Stuttgarter Bäckerei, die der Rentner freudig in Empfang nimmt, wurden nicht verkauft. Schad sammelt jeden Abend diese Reste im Hauptgeschäft ein: vom Roggenlaib über Körnerbrötchen, vom Hefezopf bis zum Obstkuchen. Alles verpackt er in Kartons und in Tüten – und ab damit in den Kastenwagen. Der ist an diesem Spätnachmittag noch gut gefüllt, als er Station im Stuttgarter Osten macht. „Die Hälfte habe ich schon verteilt. Es war noch viel mehr“, sagt Schad.
Verderbliches aus Überproduktion Frühmorgens war er bei der Schwäbischen Tafel und hat dort Lebensmittel abgeholt, die in den Tafelläden nicht verkauft werden können. Weil die Ware leicht verderblich ist oder weil es einfach zu viel vom gleichen Produkt gibt, denn die Tafel bekommt von den Lebensmittelproduzenten Spenden aus deren Überproduktion. Und so hat Schad an diesem Tag mehrere Kartons mit kleinen Kräuterbutterpäckchen in dem weißen Transporter mit dem Tafel-Logo. „Jeder Kunde hatte an diesem Tag schon Kräuterbutter im Einkaufskorb“, berichtet Hilli Pressel, die stellvertretende Projektleiterin.
Dass immer wieder Lebensmittel übrig bleiben, die Schad oder andere Lebensmittelretter holen, liegt daran, dass in Wangen im Zentrallager auch mal ein 40-Tonner vorbeikommt und anliefert. Als es gerade besonders heiß war, kamen ohne Vorankündigung 20 Paletten Vanillepudding mit Sahnehäubchen. Dabei war das Pudding-Angebot schon in den Tagen zuvor reichlich gewesen. Ein Fall für Peter Schad, der die Ware unter die Leute bringt, bevor sie verdirbt. „Oder es kann passieren, dass ein Lastwagen voll beladen mit Paprika aus Spanien in Frankreich im Stau steckt und die Ware nicht mehr rechtzeitig in die Supermärkte kommt. Dann haben wir auf einmal sehr viel Paprika in den Tafelläden“, erklärt Hilli Pressel. „Weil in unserer Konsumgesellschaft erwartet wird, dass alle Lebensmittel immer und überall verfügbar sind, muss viel zu viel produziert werden“, erklärt sie die Tatsache, dass selbst in den Tafelläden manches nicht verkauft werden kann.
Vertrauen ist wichtig Dass Schad die Lebensmittel zu Menschen bringt, die nicht in der Lage sind, persönlich in den Tafelladen zu kommen, sei ein absoluter Glücksfall, betonen die beiden Projektleiterinnen. „Wir können diesen Service nicht leisten, und er kann auch nicht ausgebaut werden, dafür gibt es bei uns keine Kapazitäten“, betont Ingrid Poppe und verweist auf das persönliche Verhältnis, das Schad zu seiner Klientel hat. „Meine Kontakte sind über die Jahre gewachsen“, berichtet er. „Die Leute vertrauen mir. Deshalb kann ich zu ihnen nach Hause kommen.“ So wie zu dem älteren Herrn im Stuttgarter Osten, der nicht namentlich genannt werden will, weil es ihm – wie den allermeisten bedürftigen Menschen – peinlich ist, dass er gespendete Lebensmittel erhält. Als Elektriker hatte er früher gearbeitet, aber immer wieder war er auch ohne Job, erzählt er. Deshalb ist seine Rente bescheiden. Heute lebt er allein.
Lieferservice bis in die Nacht Nach seiner Stippvisite bei ihm setzt Schad seine Tour am späten Nachmittag fort. Schluss ist noch lange nicht, meistens ist er bis spät in den Abend unterwegs. „Heute fahre ich bis nach Berglen bei Winnenden“ kündigt er an. „Ich habe noch Gemüse und Obst dabei, das muss unbedingt weg.“ Der 73-jährige Rentner hat übrigens gleich ein Auge auf den Kuchen geworfen. Den werde er sofort verspeisen. Brötchen und Brot kommen ins Gefrierfach, erklärt er. Sie sind der Vorrat, bis Schad wiederkommt – und wer weiß, was er da als essbare Überraschung an der Wohnungstüre abliefert.
Das Spendenkonto:
IBAN DE53 6005 0101 0002 2262 22
BIC SOLADEST600
Kennwort: „Hilfe für den Nachbarn“
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