Eine warme Mahlzeit gibt es für viele Bedürftige nur bei sozialen Einrichtungen. 650 Kinder erhalten in Stuttgart in der Schule ein Gratis-Frühstück.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Stuttgart - Der Mann, Mitte dreißig, darf in der Schlange nach vorne, damit er schneller seinen Teller mit Linseneintopf und Saitenwürsten bekommt. Er hat es eilig, denn er muss gleich zum Arbeiten. „Wir haben viele Besucher, die arbeiten, sich aber trotzdem kein Essen leisten können“, erklärt Diakon Berthold Grat. Zusammen mit seiner Kollegin Karin Volland organisiert er an diesem Abend die Ausgabe des warmen Abendessens in der Wärmestube der Evangelischen Gesellschaft (Eva). Der Eintopf ist eine Spende des Hotel Mercure. Küchenchef Christian Heide lässt dort mehrmals im Jahr für die Wärmestube kochen. Deshalb gab es in der zurückliegenden Woche dreimal am Abend für Bedürftige kostenlos warmes Essen – und pünktlich um 17 Uhr warteten darauf jedes Mal 60 hungrige Menschen.

 

Fünf Euro pro Tag fürs Essen

Dass der Kauf von Lebensmitteln, die tägliche warme Mahlzeit – auch und gerade für Kinder – ein heiß begehrter, aber oft unerfüllter Wunsch bleibt, liegt außerhalb der Vorstellung derer, die sich selbstverständlich an die Kasse im Supermarkt stellen können. Doch Fakt ist: Wer von Hartz IV lebt, hat fünf Euro pro Tag für Lebensmittel. „Der Trick ist, nur einmal am Tag zu essen“, lautet der Tipp eines Betroffenen in der Umfrage eines angesehenen Online-Magazins auf die Frage, wie man mit diesem Betrag auskommen kann. Ein anderer Teilnehmer rechnete vor: „Ein Euro für Fett, zwei Euro für Eiweiß, ein Euro für Kohlehydrate und einer für Abwechslung.“

Eine Wärmestube hat immer offen

Michaela Herzberg bleiben nach Abzug ihrer Unkosten von ihrer Rente noch etwa 100 Euro für Lebensmittel im Monat. Sie kommt regelmäßig zu „Evas Tisch“ und isst dort für zwei Euro zu Mittag. So viel kostet das reguläre Mittagessen. „Man kann froh sein, dass man etwas bekommt“, sagt sie. An Tagen, an denen bei der Eva geschlossen ist, besucht sie andere Einrichtungen, die Essen ausgeben. Das macht sie nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch, um nicht einsam zu sein – und weil es zu Hause nicht warm wird. „Wir haben die Öffnungszeiten mit dem Café 72 in Cannstatt und der Wärmestube der Caritas in der Olgastraße abgestimmt, damit immer eine Einrichtung offen hat“, erklärt Grat. Viele Besucher der Wärmestube sind gepflegt. „Armut ist oft versteckt und viele sagen sich, wenn ich schon arm bin, ziehe ich mich wenigstens ordentlich an, damit man es nicht sieht“, weiß der Diakon.

Mittagstisch für Frauen

„Seit es kalt geworden ist, ist mir an der Stadtbahnhaltestelle mehrfach eine ältere Frau aufgefallen, die immer dieselbe leichte Jacke anhatte“, berichtet Christa Reuschle-Grundmann vom Sozialdienst katholischer Frauen (SkF). Sie suchte das Gespräch und erfuhr, dass das Geld für eine wärmere Jacke nicht reicht. Nun besucht die Frau auf Vermittlung der SkF-Abteilungsleiterin den Tagestreff für Frauen in der Heusteigstraße. Dort hat sie für Centbeträge etwas Warmes zum Anziehen gefunden und isst dort zu Mittag. „Wir haben 1994 mit einem Frühstück für sechs Frauen angefangen. Heute geben wir täglich 50 Essen aus“, rechnet Christa Reuschle-Grundmann vor.

Frühstück für 650 Kinder

Gerade Kinder sind besonders von der Unterversorgung mit Lebensmitteln betroffen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Der Verein „Frühstück für Kinder“ versorgt aktuell zwölf Brennpunktschulen zweimal in der Woche – die Altenburgschule/Steigschule sogar an drei Tagen – mit einem gesunden Frühstück. 650 Kinder nehmen daran teil, berichtet Roland Sauer, der den Verein gegründet hat. Im FiZ – Familie im Zentrum e.V. – haben die Mitarbeiterinnen stets ein paar Packungen Nudeln und H-Milch im Schrank, um sie verzweifelten Müttern auszuhändigen, die am Monatsende nicht mehr wissen, was sie den Kindern zu essen geben sollen. Rosa Lopez, die im FiZ arbeitet, organisiert ab Januar Kochkurse für Mütter und Kinder, denn Kochen mit wenig Geld will gelernt sein. 2000 Menschen kaufen täglich in den drei Stuttgarter Tafelläden und dem Ableger in Fellbach ein. „Da es sich dabei meist um den Familieneinkauf handelt, versorgen wir somit gut 10 000 Menschen“, rechnet der Leiter der Schwäbischen Tafel, Edgar Heimerdinger, vor. Mit Lebensmittel-Filialen, Großmarkt und Großhandel kommen 600 Spender zusammen, die die Tafel bestücken. Das Angebot besteht aus Obst und Gemüse, Molkereiprodukten sowie Backwaren. „Wenn sich jemand gesund ernähren will, ist die Tafel richtig. Aber man muss halt kochen“, betont Heimerdinger.

Günstig kochen mit der Tafel

Einkaufen können Besitzer einer Bonuscard. Das waren 65 348 Menschen im Jahr 2017. In Notfällen geben das Jobcenter und die Diakonie Lebensmittelgutscheine für die Tafel aus. „Das geht jedoch nicht für längere Zeit“, wendet Heimerdinger ein. Und für Menschen ohne Wohnsitz – das sind in Stuttgart rund 4000 – bringt die Tafel wenig, wenn sie keine Gelegenheit zum Kochen haben. Da bleiben allein die Einrichtungen, in denen man für wenig Geld etwas Warmes bekommt.

Hilfe für den Nachbarn

Das Spendenkonto:
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