Der Verein „Freunde der Altstadt von Aleppo“ will mit Kunsttherapeuten geflüchteten Kindern helfen.

S-Süd -

 

Die Muschel ist Rrrring, Rrrrring!“ – „Hier schlafen.“ – „Meins ist wie Deutschland.“ Begeistert zeigen Gülcan, Sara und Shila die Häuser, die sie aus Schuhschachteln gebaut und bemalt haben. Mal in Schwarz-Rot-Gold, mal mit bunten Blumen verbrämt, mal mit allerlei Muscheln oder Herzen dekoriert. Wahre Schatzkästchen sind es, kleine farbenfrohe Villen der Sorglosigkeit. Etwas, was die Mädchen bisher nicht kannten. Mit Eltern oder Geschwistern sind sie geflohen, vor Krieg, Armut und Unterdrückung aus Ländern des Nahen Ostens oder Afrikas. Nun leben sie im einstigen Bürgerhospital, das jetzt eine Flüchtlingsunterkunft der Stadt Stuttgart ist.

Aber einmal pro Woche können sie dort ihrer Fantasie freien Lauf lassen, in Farben und Formen schwelgen. Immer montagnachmittags kommen die Kunsttherapeutin Heidemarie Bittner und die Kunsttherapiestudentin Veronika Näpple, um mit den Kindern bis zu zwei Stunden künstlerisch zu arbeiten.

Erfahrungen und Herkunft der Kinder sind sehr unterschiedlich

„Die offene Malwerkstatt ist ein Riesenerfolg“, erzählt Bittner. Einige Kinder stünden schon vor 15 Uhr vor der Tür. „Manche kommen regelmäßig, oft kommen immer wieder neue.“ Insgesamt 20 Kinder seien dabei. „Aber wenn zehn da sind, schließen wir die Türe“, sagt Bittner. „Sonst ist kein sinnvolles Arbeiten mehr möglich.“ Die Kinder, ihre Herkunft, ihr Alter und ihre Erfahrungen seien sehr unterschiedlich. „Es sind Mädchen und Jungen zwischen sechs und zwölf – alle haben ganz verschiedene Bedürfnisse.“

War das Angebot zunächst für junge syrische Flüchtlinge geschaffen worden, sind nun auch Kinder aus Ländern wie dem Tschad, Eritrea, Ghana, Iran, Afghanistan oder Albanien dabei. „Der Bedarf ist groß, die Maltherapie soll allen zugute kommen“, erklärt Jörg Esefeld. Der Architekt ist im Vorstand des Vereins „Freunde der Altstadt von Aleppo“. Dieser hat das Angebot für Flüchtlingskinder mit der Caritas ins Leben gerufen hat und finanziert es auch.

„Ich habe in Aleppo gearbeitet, eine wunderschöne Stadt mit 5000 Jahre alter Geschichte“, sagt Jörg Esefeld. Das Ziel des Vereins ist es, die Altstadt zu erhalten, Menschen zu unterstützen, ihre Häuser wieder aufzubauen, das kulturelle Erbe zu bewahren. „Aber durch den Krieg ist es derzeit kaum möglich, dort etwas zu tun“, sagt Esefeld. „Daher will der Verein hier helfen, etwa den Kindern mit Kunsttherapie.“

In der Kunsttherapie sollen die Kinder loslassen können

Von der können manche der Kinder nicht genug kriegen. Um nicht gehen zu müssen, verstecken sie sich in einem Welthaus, dass sie aus Kartons gebaut und gemeinsam bemalt haben. „Das half, die Vorurteile und Spannungen zwischen verschiedenen Nationen abzubauen“, sagt Bittner. „Es sind viele traumatisierte Kinder dabei. Wir können es nur ermessen, was sie durchgemacht haben und noch durchmachen. Wir fragen nicht nach“, sagt Bittner. „In diesem Raum sollen sie loslassen können.“

Um die Sprachkenntnisse zu verbessern, führen sie und Näpple stets ein Begrüßungs- und Abschiedsritual durch. Auch während des Malens und Bastelns werden Dinge benannt, dabei mit Mimik und Gestik gearbeitet. „Manche Kinder malen am Anfang sich oder ihre Familie schwebend, keine Arme oder Beine, nicht geerdet. Doch je öfter sie kommen und Vertrauen fassen, ändert sich das. Plötzlich stehen die Figuren auf der Erde.“