Viele Helfer haben des Badezimmer für die zehnjährige Ida aus Perouse rollstuhlgerecht umgebaut.

Rutesheim - Das Badezimmer ist fertig. An und für sich ist das nichts besonderes. Doch hier stehen jede Fliese, jeder Mosaikstein, jede Armatur, jede Kelle verbauter Mörtel und jede Fuge für Menschlichkeit, Anteilnahme, Solidarität und Hilfsbereitschaft. Dieses Badezimmer haben viele Helfer rollstuhlgerecht für die zehnjährige Ida umgebaut. Das schwer kranke Mädchen aus Perouse braucht viel Pflege und dafür war das Elternhaus baulich nicht ausgestattet.

 

Angeregte Gespräche voller Hoffnung und Gottvertrauen schwirren an diesem Abend durchs Wohnzimmer der Familie Rentschler im Lerchenweg. Menschen, die sich vor wenigen Tagen nicht kannten, duzen sich freundschaftlich. Etwas Bewegendes hat sie in kurzer Zeit zusammengeschweißt: Das Schicksal einer Zehnjährigen, die sich willensstark ins Leben zurückkämpft.

Es bewahrheitet sich, dass geteilte Freude doppelte Freude ist. Es ist spürbar, dass es allen ein Herzensanliegen ist, dort anzupacken, wo Hilfe gebraucht wird und dass sie es gerne tun. Rebecca und Sven Rentschler haben es sich nicht nehmen lassen, alle die sich für ihre Tochter einsetzen, zu einer kleinen Dankesfeier einzuladen.

Schnell im Badezimmer die Haare gemacht

Ida und ihrer Freundin Mina wird es zu bunt. Geheimnisvoll tuschelnd verschwinden sie in Idas Zimmer, aber nicht bevor sie sich im neuen Badezimmer schnell die Haare gemacht haben. Auf dem Laptop, den eine Gerlinger Seniorin Ida vor einigen Tagen geschenkt hat, gibt es Interessantes zu entdecken. Vielleicht kann es für die Schule nützlich sein, Ida besucht die vierte Klasse einer Sonderschule in Sindelfingen.

Immer mehr füllt sich das Wohnzimmer. Ulrich Schenk, der für Perouse im Rutesheimer Stadtrat sitzt, schaut vorbei. Seine Bescheidenheit – „ich habe ein bisschen geholfen und mein Wissen eingesetzt“ – lässt Rebecca Rentschler nicht gelten. „Er ist fast jeden Tag hier gewesen, er hat angepackt, wo es notwendig war“, verrät sie. „Es ist erstaunlich, wie viele gekommen sind, um zu helfen – wildfremde, die wir vorher nicht gekannt haben“, ist Rebecca Rentschler ergriffen. So etwa die beiden Handballer Lars und Tobias vom SV Leonberg/Eltingen. Oder die Eltern der Mitschüler von Hans, Idas Bruder, der die fünfte Klasse besucht. „Sie haben gekocht für die Helfer, von denen viele nach ihrer Arbeit noch bei uns angepackt haben“, erzählt Idas Mutter. An die 15 Helfer sind in den drei Wochen aus und eingegangen und haben fleißig gewerkelt. „Von ihnen haben wir höchstens fünf vorher gekannt“, ist Rebecca Rentschler dankbar.

„Hallo Marco!“, freut sie sich, als Marco Heinzelmann an die Tür klopft. Der selbstständige Projektentwickler aus dem Silberberg kennt Idas Mutter aus der Zeit, als sie in der Buchhandlung Röhm im Leo-Center tätig gewesen ist. Wegen des fast einjährigen Krankenhausaufenthalts der Tochter und der aufwenigen Pflege, die Ida jetzt benötigt, musste sie den Job aufgeben. „Es ist selbstverständlich zu helfen und jeder sollte so viel Zeit wie möglich dafür aufbringen“, begründet Marco Heinzelmann sein Engagement.

Spenden durch „Lichtblicke“ und den „Carwash Day“

Bevor sie in die Stube tritt, nimmt Angela Schenkel erst das Badezimmer in Augenschein. Sie ist die Chefin eines Flachter Fliesenfachbetriebes. Beim „Carwash-Day“ im Ort, den der Weissacher Verein „Helfen mit Herz“ veranstaltet hat, hatte sie sich spontan bereit erklärt, die kompletten Fliesenarbeiten inklusive Material in Idas Elternhaus zu übernehmen. „Versprochen ist versprochen“, sagt Angela Schenkel und kontrolliert mit Kennerblick, ob auch alles richtig ist.

An dem Abend nicht da sein konnte Frank Bauer, der Vorsitzende des Weissacher Vereins „Helfen mit Herz“. Dessen Mitglieder waren auf das Schicksal Idas aufmerksam geworden und haben die große Hilfsaktion angestoßen. Unter anderem haben die Mitglieder um Frank Bauer beim „Carwash-Day“ in Flacht an 5000 Euro Spendengeldern eingesammelt. Die LKZ-Aktion „Lichtblicke“ stellt 20 000 Euro bereit.

Doch mit dem neuen Badezimmer ist es nicht getan, wie eine große Baugrube vor dem Haus zeigt. In einem Anbau muss ein zusätzliches Zimmer entstehen, das Platz für das Krankenbett und die medizinischen Geräte bietet. Das alles ist notwendig, weil die Zehnjährige auf den Rollstuhl angewiesen ist. „Dann können mein Mann und unser Sohn wieder aus dem Hobby-Raum ausziehen“, sagt Rebecca Rentschler.

Aber Bruder Hans hat das gerne für seine Schwester in Kauf genommen. Die Geschwister sind ein Herz und eine Seele. Hans kümmert sich liebevoll um seine Schwester und ist immer an ihrer Seite. „Eine Hospizmitarbeiterin hat gesagt, dass er seine Schwester aus dem Koma herausgeholt hat“, sagt die Mutter.

Idas Herz schlägt für den KSC

Ida ist inzwischen auch wieder im Wohnzimmer und zeigt auf dem Handschutz ihres Rollstuhls in blau-weiß, für welchen Fußballklub ihr Herz schlägt: den KSC. „Etwas besser könnten die schon spielen“, meint die Zehnjährige. „Ja, ja, um eine Antwort ist Ida nicht verlegen“, freut sich die Mutter. „Das erste, was sie nach dem Koma ganz schnell wieder gut konnte, war Sprechen“, erzählt sie.

Derweil hat Ida mit Hilfe ihres Onkels Georg Haupert Platz in einem Sitzsack genommen. Der Bruder der Mutter leitet den Umbau des Hauses. Den haben die Stadt, die 3000 Euro über die Sozialstiftung zugeschossen hat, und der Stadtrat zügig genehmigt.

Idas Zustand ist die Folge einer seltenen Krankheit. Seit fast zehn Jahren bestimmt sie ihr Leben. Zuerst in den Augen, dann in Nase und Ohren bildeten sich Granulome – Zellwucherungen. Diese mussten immer wieder operativ entfernt werden. 2018 führte ein nicht erkanntes Granulom in der Luftröhre dazu, dass Ida fast daran erstickt ist. Nach 15 Minuten konnte sie reanimiert werden. Wochenlang lag sie daraufhin im Koma auf der Intensivstation des „Olgäle“. Große Teile ihres Gehirns gelten als irreparabel geschädigt. Nahezu ein Jahr war die Zehnjährige in einem Rehabilitationszentrum und kämpfte sich mit Kraft und Geduld ins Leben zurück. Sie spricht wieder gut, kann ihre Arme und Hände koordinieren. Und sie geht wieder erste Schritte. Doch es liegt noch ein langer Weg vor ihr. Auf dem ist sie nicht allein. „Gestern war eine Gruppe von Stadtradeln da und hat uns ihre Sponsorengelder überreicht, ein Korntaler Gärtner hat sich angeboten, den Vorgarten wieder herzurichten und jetzt kam eine Spende von einem Kleintierzüchterverein aus Ulm. Es tut gut, wenn man nicht allein gelassen wird“, sagt Rebecca Rentschler.