Pro Kids der Caritas Stuttgart unterstützt seit 18 Jahren Kinder aus Suchtfamilien. Es ist auch ein Präventionsprojekt, denn die Mädchen und Jungen haben ein hohes Risiko, später selbst abhängig zu werden.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - David ist ein scheuer Junge, sehr verantwortungsvoll. Er malt gerne Bilder, in denen die Welt in Ordnung ist wie bunte Blumenwiesen. Das fällt auf, als er mit neun Jahren zu Pro Kids kommt, ein Angebot der Caritas Stuttgart für Kinder aus Suchtfamilien. Wie sehr er sich von seinem jüngeren Bruder Leon unterscheidet, der etwas von einem Klassenclown hat. Die Brüder, die eigentlich anders heißen, sind bei einer Mutter aufgewachsen, die schwer alkoholabhängig und psychisch krank ist. Und die ihr Sorgerecht darüber verliert.

 

Die Sucht der Mutter hat die Brüder geprägt, auf unterschiedliche Weise. Das unsichtbare Kind, das früh die Elternrolle übernimmt und der Rebell, der Aufmerksamkeit sucht – beides seien typische Charakterzüge für Kinder aus Suchtfamilien, berichtet die Sozialpädagogin und Familientherapeutin Myriam Klein von Pro Kids.

Seit 18 Jahren gibt es das Angebot für Kinder suchtkranker oder psychisch kranker Eltern in Stuttgart. Myriam Klein kann sich noch gut an die schwierigen Anfänge erinnern, als sie noch keine eigenen Räumlichkeiten hatten, keine festen Stellen. In anderen Städten, wie in Freiburg, gab es Einrichtungen, an denen sie sich orientieren konnten. Doch insgesamt war der Ansatz, nicht nur dem Süchtigen zu helfen, sondern sich auch sein Umfeld anzusehen, noch neu. „Zuvor hat man nie gefragt, wie geht es den Familienangehörigen, wie geht es den Kindern“, berichtet sie.

Jedes sechste Kind lebt in suchtbelasteter Familie

Inzwischen weiß man schon lange, wie wichtig das ist. Schließlich haben Kinder aus Suchtfamilien ein besonders hohes Risiko, selbst süchtig zu werden. Dieses ist der Organisation NACOA Deutschland zufolge ums Sechsfache erhöht. Etwa jedes sechste Kind lebt in einer suchtbelasteten Familie. Mit einer Aktionswoche wird deutschlandweit in dieser Woche an ihr Schicksal erinnert – eine Initiative von NACOA und dem Paritätischen Wohlfahrtsverband, an der sich Pro Kids beteiligt. Auf eine Art ist die Arbeit von Pro Kids auch Prävention. Man wolle den Kindern zeigen, dass es auch andere Problemlösungsmöglichkeiten gibt, als sich zu betäuben, erklärt Myriam Klein. Auch wenn es ihnen die eigenen Eltern anders vorgelebt haben. In der Gruppe treffen die Kinder auf Gleichgesinnte, die sie verstehen. Wobei am Anfang nur „sehr wenig“ geredet werde, wie Klein sagt. „Wir haben ganz viel Spaß miteinander“, das sei wichtig.

Auch während des Lockdowns für die Kinder und Jugendlichen da

Angesiedelt ist das Angebot inzwischen in der Schwabstraße, die Stadt Stuttgart fördert zwei Vollzeitstellen. Auch in Coronazeiten seien sie für die Kinder und Jugendlichen da, betont Myriam Klein, die selbst zwei Pro-Kids-Gruppen leitet. Während des Lockdowns unternähmen sie viel draußen mit den Kindern, gingen auch einzeln mit ihnen spazieren. Sie haben einen Garten, den sie nutzen können. Diese Zeit der Isolation, des Aufeinanderhockens führe bei vielen Familien dazu, dass die Konflikte größer werden – „das potenziert sich bei unseren Kindern noch mal“, sagt sie. Umso wichtiger sei es für die Kinder zu spüren, dass sich jemand um sie sorgt. „Das kann auch jemand von Pro Kids sein.“

Es gibt nach Alter gestaffelte Gruppen, beginnend ab dem Grundschulalter. Manche Kinder wie David werden mit Pro Kids erwachsen. Er sei zuerst in der Kindergruppe gewesen, dann in die Gruppe für Jugendliche gewechselt, heute kommt er einmal im Monat zur Gruppe für junge Erwachsene. Er habe noch immer mit traurigen Episoden zu kämpfen, fühle sich oft einsam. Aber trotz seiner schwierigen Kindheit hat er die Schule geschafft und eine Ausbildung begonnen. „Er ist auf einem guten Weg“, sagt Myriam Klein.