Im Landkreis Ludwigsburg gibt es so viele Steinkäuze wie sonst nirgends im Land. Herbert Keil kümmert sich seit mehr als 30 Jahren um die vom Aussterben bedrohten Vögel. Als er damit anfing, dachten viele, sein Engagement sei zwecklos.

Gerlingen - Mit einem Akkuschrauber öffnet Herbert Keil die Rückseite des Nistkastens, der in vier Metern Höhe an einem alten Birnbaum hängt. Keil zieht sechs Steinkauzkinder aus der engen Behausung. Kopfüber bugsiert der 73-Jährige den Vogel-Nachwuchs in einen fleckigen Sack. Sie ertragen die Prozedur klaglos. Als Keil sie an den Oberschenkeln packt, halten sie ganz still und beobachten aus gelben Augen die Umgebung. Am Boden vermisst der Naturschützer die Käuze und legt jeder der kleinen Eulen einen Ring aus Aluminium an.

 

Vor 30 Jahren ist Herbert Keil schnell fertig gewesen, wenn er alle Steinkäuze im Kreis Ludwigsburg beringt hat. Es gab damals acht Brutpaare. Heute sind es 247. Keil hat den Vogel vor dem Aussterben gerettet.

Es gab fast keine Hoffnung mehr

Ende der 80er Jahre gab es kaum Hoffnung für die Steinkäuze. Herbert Keil hat das nicht gestört und sich für die Erhaltung des Steinkauzes eingesetzt. „Als ich damit angefangen habe, bin ich gefragt worden, warum ich das überhaupt mache“, erinnert er sich. „‚Der Steinkauz ist hier ausgestorben’, haben sie mir gesagt.“ Doch Keil gründete die Forschungsgemeinschaft zur Erhaltung einheimischer Eulenarten (FOGE) mit. Der Verein beobachtet die Steinkauzpopulation im Landkreis Ludwigsburg, auf immerhin einer Fläche von 690 Quadratkilometern.

Seine wichtigste Aufgabe: Nisthilfen aufstellen, in denen die Vögel ihren Nachwuchs ausbrüten können. 765 Steinkauzröhren versorgt Herbert Keil. Die Steinkäuze dankten ihm das Engagement: Sie haben sich vermehrt, verzehnfacht, verdreißigfacht. Mittlerweile findet sich im Landkreis Ludwigsburg die größte Population in ganz Baden-Württemberg.

Die Streuobstwiesen verschwinden, der Kauz verliert Lebensraum

In anderen Regionen geht der Bestand zurück. „Der Steinkauz ist in vielen Bundesländern weiterhin eine bedrohte Tierart“, sagt Keil. Das liegt daran, dass es an geeignetem Lebensraum mangelt.

Am wohlsten fühlt sich der Steinkauz auf Streuobstwiesen mit Bäumen, in denen er nisten kann. „Der natürliche Nistplatz des Steinkauzes ist in einem großen, alten Apfelbaum“, erklärt Keil. Diese werden aber immer weniger, die Streuobstwiesen verschwinden, und die Landwirtschaft wird intensiviert. Auch in alten Scheunen kommt der Steinkauz gelegentlich unter, doch die Besitzer sanieren die alten Mauern oft so, dass die Tiere keinen Unterschlupf mehr finden. Auf dem Gebiet der FOGE gibt es kaum noch so genannte Naturbrut, also Exemplare, die in natürlichen Höhlen brüten.

An den Federn erkennt man das Geschlecht

Keil holt die sechs Jungvögel aus dem Beutel. Jeder wird untersucht: Flügel, Krallen, Schnabel. Und der 73-Jährige nimmt eine Federprobe, über die später das Geschlecht der Tiere bestimmt werden kann. „Die Mutter fliegt wahrscheinlich in sicherer Entfernung herum und beobachtet uns“, sagt der Fachmann. Wenn ihre Jungen wieder in der Nisthilfe sitzen, wird sie sich wieder um sie kümmern. „Dass Jungtiere verstoßen werden, weil sie nach Mensch riechen, ist eher bei Wild ein Problem“, erklärt er.

Über die Nummer auf den kleinen Ringen, die Keil ihnen anlegt, kann man jeden der Vögel eindeutig identifizieren. Außerdem kann man die Wanderung der Tiere nachvollziehen. In der Regel bleiben sie in der Region. „Ich weiß aber auch von Steinkäuzen, die es von hier bis nach Franken und an den Kaiserstuhl in der Rheinebene verschlagen hat“, erzählt Keil. Den Überblick über all diese Informationen behält die Vogelwarte Radolfzell am Bodensee, der er die Daten der Beringung mitteilt.

Das Nahrungsangebot ist üppig

Zum Schluss werden die Jungvögel gewogen. Zwischen 154 und 142 Gramm sind sie schwer, Keil schätzt ihr Alter auf ungefähr vier Wochen. Noch etwa eine Woche, dann werden sie sich aufmachen, das elterliche Nest verlassen und ein eigenes Revier suchen. Das Nahrungsangebot ist dabei kein Problem für den Steinkauz, erklärt Keil. Wichtig sind für ihn vor allem gemähte Wiesen. Die Vögel jagen nämlich gern am Boden, wo sie sich hüpfend und rennend fortbewegen. Wo das Gras zu hoch steht, können sie nicht landen und sehen ihre Beute nicht. „Hohe Wiesen sind ökologisch wichtig“, erklärt der naturschutzpolitische Sprecher der Grünen, Markus Rösler, „aber ein paar abgemähte Flächen freuen den Steinkauz.“

Mit Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) hat Markus Rösler eine Beringung in der Nähe von Gerlingen besucht. Dabei haben die beiden Grünen-Politiker Herbert Keil fleißig geholfen. Und sich wacker geschlagen. Einer der Jungvögel wehrt sich, als die Steinkauzkinder zurück in den Sack gesteckt werden sollen. Beherzt packt Rösler zu, und der vorwitzige Vogel verschwindet im Dunkel. „Das war ein Weibchen“, sagt Keil, „die wehren sich gern mal.“