Kurz vor Beginn des ersten Lockdowns, am 16. März 2020, startete in Stuttgart eine private Initiative zur Unterstützung von Kulturschaffenden. Sie ist dabei zu etwas Kulturerhaltendem geworden.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Stuttgart - Zwei Jahre sind eine lange Zeit, wenn Pandemie herrscht, das öffentliche Leben eingeschränkt ist und das künstlerische darniederliegt. Es ist auch eine lange Zeit, um eine „Soforthilfe“ aufrechtzuerhalten. Dass dies Joe Bauer, dem früheren Kolumnisten unserer Zeitung, und einigen Mitstreitern wie dem Kulturmanager Peter Jakobeit gelungen ist, verdient deshalb Beachtung.

 

Unter den Namen Künstlersoforthilfe starteten sie am 16. März 2020, kurz vor Beginn des ersten Lockdowns, eine Hilfsaktion mit 5000 Euro, die sie aus der eigenen Tasche beisteuerten. Ihr Bestreben: den Kunstschaffenden in Stuttgart und allen, die irgendwie dazu gehören, finanziell unter die Arme zu greifen und ganz profan „Kühlschränke zu füllen“, wie sie es ausdrückten.

In zwei Jahren 1,5 Millionen Euro an Spenden zusammengetragen – und verteilt

Bauer, der eng mit der lokalen Künstlerszene vernetzt ist und den „Flaneursalon“, eine mobile Kleinkunstbühne und andere Kulturveranstaltungen wie die „Nacht der Lieder“ der Aktion Weihnachten organisiert, ahnte, in welche finanzielle Schwierigkeiten freischaffende Künstlerinnen und Künstler und ihr Umfeld geraten würden, wenn es keine Auftrittsmöglichkeiten mehr gibt. Schneller als andere und mit einem langen Atem warb er um Spenden und organisierte unbürokratisch finanzielle Hilfe.

Inzwischen hilft auch der Staat, doch die Situation vieler Kleinkünstler, Berufsmusiker, Tontechniker oder Beleuchter ist weiterhin prekär, weshalb Bauer die Künstlersoforthilfe mit Hilfe von Spenden mindestens bis zum zweiten Jahrestag am 16. März aufrecht erhalten will und dafür um weitere Unterstützung bittet.

Bisher hat das Team Bauer die stolze Summe von 1,5 Millionen Euro zusammengetragen und an mehrere Hundert Kulturschaffende verteilt, darunter Studierende der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste, der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellenden Kunst und der Filmakademie, die sich in der Pandemie schwertun, für ihre Probleme eine Öffentlichkeit zu finden. Geld aus der Soforthilfe fließt auch in künstlerische Aktionen und Projekte wie das Festival 1:1 der Staatstheater oder das Kunst- und Kulturprojekt Contain’t.

Die Künstlersoforthilfe als kulturelles Statement

Zuspruch für seine Künstlersoforthilfe erfährt Joe Bauer aus allen Teilen der Stadtgesellschaft, von Privatbürgern ebenso wie von namhaften Unternehmen oder Stiftungen. Das ist auch außerhalb Stuttgarts aufgefallen; die „Zeit“ berichtete darüber, ebenso der Deutschlandfunk. Die Stuttgarter Bürgerstiftung zeichnete die Initiative im Rahmen des Bürgerpreises 2021 mit einem Sonderpreis aus. Bundesweit gibt es nichts Vergleichbares.

So wichtig die monetäre Soforthilfe ist, so wichtig ist für Bauer auch die kulturelle Botschaft, die sich an seine Bemühungen knüpft. Der Lockdown habe den Menschen vor Augen geführt, wohin sich die Dinge entwickeln, wenn eine Stadt kulturell verwaist, betont er. Dem versucht er mit der Künstlersoforthilfe entgegenzuwirken. Sein Credo lautet: „Kultur ist keine geschlossene Veranstaltung. Kultur ist eine Lebensweise.“ Von ihr will er nicht abrücken.

Wer spenden möchte: www.kuenstlersoforthilfe-stuttgart.de IBAN: DE 21 4306 0967 7005 4549 00, Empfänger: Kultig e. V. GLS-Bank