Im Kreisausschuss in Ludwigsburg werden neue Daten zu den Hilfsfristen vorgelegt, die Unterschiede zwischen den Kommunen sind gewaltig. In Hemmingen braucht der Rettungswagen im Schnitt fast elf Minuten, in Ludwigsburg geht es viel schneller. Woran liegt das?

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Die Unterschiede stechen sofort ins Auge, und ein Kreisrat bringt es auf den Punkt: „Hemmingen, da sieht es beschissen aus.“ Dabei gibt es Kommunen, in denen es, um ins jugendfreie Deutsch zu wechseln, noch schlechter aussieht, Oberstenfeld etwa. Und andere, in denen die Lage deutlich besser ist, wie Ludwigsburg oder Bietigheim-Bissingen. Geht es um die Hilfsfristen des Rettungsdiensts, herrscht ein eklatantes Ungleichgewicht, und auch deshalb ist Manfred Hormann am Montag in den Kreisausschuss für Umwelt und Technik gebeten worden.

 

Hormann ist Geschäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes im Kreis und in Personalunion Vorsitzender des Bereichsausschusses, jenes Gremiums – besetzt mit Vertretern der Hilfsorganisationen, der Kostenträger und des Landratsamts –, das für den Rettungsdienst zuständig ist. Im Ausschuss präsentiert er Zahlen, die zwar besser als früher, aber nicht gut genug sind. Das zeigt der Überblick über die Landeshauptstadt und die Landkreise in der Region. Vorgeschrieben ist, dass ein Rettungswagen nach maximal 15 Minuten am Einsatzort sein muss. In Stuttgart gelingt dies in 96,2 Prozent aller Fälle, das ist der beste Wert. In Göppingen werden 95,9 Prozent der Patienten innerhalb der Frist erreicht, in Esslingen 94,2 Prozent, in Ludwigsburg und Rems-Murr 93,3, in Böblingen 92,3.

Dass dies außer in Stuttgart und Göppingen nicht ausreicht, liegt an einer anderen Vorgabe: 95 Prozent – diese Marke muss erreicht werden. „Wir liegen in Ludwigsburg unter dem Soll, das kann man nicht beschönigen“, sagt Hormann. Er wisse, dass es sich um ein sensibles Thema handle, mit Auswirkungen auf das Sicherheitsgefühl der Menschen.

Umso ländlicher eine Gegend ist, umso schwieriger wird es für die Rettungsdienste

Noch aussagekräftiger sind die Zahlen, die er im Anschluss vorstellt. Wie lange dauert es im Schnitt, bis die Retter vor Ort sind? In Hemmingen: 10,53 Minuten. In Oberstenfeld: sogar 11,52 Minuten. Nicht gut sind auch die 7,59 Minuten in Korntal-Münchingen, schon deutlich besser die 5,46 Minuten in Ditzingen oder die 5,31 in Gerlingen. Richtig gut: 3,59 Minuten braucht der Rettungswagen in Ludwigsburg, nur 3,57 Minuten in Bietigheim-Bissingen. Je ländlicher und weniger dicht besiedelt ein Gebiet ist, umso schwieriger wird es, weil dann die Fahrwege länger werden. Eingerechnet wurden in die Statistik auch die Einsätze der Rettungshubschrauber, die, weil sie meist schneller an Ort und Stelle sind, die Werte etwas verbessern.

Da es bei Rettungseinsätzen oft um Leben und Tod geht, kommt es auf jede Sekunde an. Trotzdem soll es etwa in Hemmingen Fälle geben, in denen Patienten länger als 40 Minuten warten mussten. Eine Statistik zu solchen Extremwerten fehlt, aber in Kommunen mit schlechten Durchschnittswerten ist davon auszugehen, dass es auch mehr Ausreißer nach oben gibt.

Neue Einsatzfahrzeuge, mehr Personal

„Wir wollen anerkennen, dass viel unternommen wird, um Verbesserungen zu erzielen“, sagt der Hemminger Bürgermeister Thomas Schäfer. „Aber die Zahlen könnten besser sein. Wir müssen dran bleiben.“ Kritik provozierte im Ausschuss, dass Hormann lediglich Daten für Rettungssanitäter, nicht aber für Notärzte vorlegte, obwohl oftmals beide gebraucht werden. Weil nur ein Notarzt berechtigt ist, Medikamente zu verabreichen.

130 Vollzeitmitarbeiter haben die Rettungsdienste, überwiegend DRK und ASB, im Kreis. 40 neue Leute sollen bald eingestellt, zusätzliche Rettungswagen angeschafft werden. Der Haken: „Die Verbesserungen werden durch die exponenziell steigenden Einsatzzahlen kompensiert“, sagt der Landrat Rainer Haas. Der Rettungsdienst wird immer häufiger auch in weniger gravierenden Fällen alarmiert, weshalb die Zahl der Einsätze auf zuletzt 42 000 pro Jahr gewachsen ist. Das sei, so Hormann, ein gesellschaftliches Phänomen, eine Frage des Anspruchsdenkens, und führe mitunter zu grotesken Situationen. Wenn etwa Rettungswagen und Notarzt losrasen, weil ein Mann angeblich im Sterben liegt, dann aber doch nur Bauchweh hat. Gegensteuern könne man da nicht: „Wenn sich ein Anrufer unklar ausdrückt, müssen wir raus – lieber so als andersherum.“