Saudi-Arabien richtet an einem Tag vier Dutzend Menschen hin. Das löst weltweite Kritik aus, vor allem Riads Erzrivale Iran ist empört. In Teheran wird die saudische Botschaft attackiert.

Teheran/Riad - Nach der Hinrichtung des schiitischen Geistlichen Nimr al-Nimr in Saudi-Arabien haben Demonstranten in der Nacht zum Sonntag die Botschaft Riads in Teheran gestürmt und Teile des Gebäudes in Brand gesetzt. Das berichteten Augenzeugen der Deutschen Presse-Agentur. Andere Bereiche innerhalb der Botschaft seien von den Demonstranten verwüstet worden. Es kam zu heftigen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizei. Mehrere Randalierer wurden festgenommen.

 

Die Polizei war auf den plötzlichen Angriff in der Nacht nicht vorbereitet. Zwar bekam sie die Lage letztendlich in den Griff, aber die Verwüstung konnte sie nicht verhindern. Auch die Feuerwehr kam erst später, um den Brand zu löschen.

Al-Nimr war am Samstag mit 46 weiteren Menschen wegen Terrorismusvorwürfen exekutiert worden. Der Iran - der schiitische Rivale des sunnitisch geprägten Saudi-Arabien - hatte mit Empörung auf die Hinrichtung reagiert.

Versammlungen werden verboten

Das iranische Außenministerium verbot in einer Presseerklärung nach dem Angriff alle Versammlungen vor der saudischen Botschaft in Teheran und dem Konsulat in Maschhad im Nordostiran vorläufig.

Die Hinrichtungen in Saudi-Arabien lösten überdies international Besorgnis vor neuen Spannungen in der Region aus. Auch EU, Europarat und deutsche Oppositionspolitiker kritisierten die Massenhinrichtungen. Die USA riefen Saudi-Arabien auf, "die Menschenrechte zu respektieren und zu schützen".

Iranische Demonstranten wollen am Sonntag in Teheran (1300 MEZ) gegen die Tötung al-Nimrs auf die Straße gehen. Nach einem Aufruf der islamischen Studentengemeinde sollen die Demonstranten vor das Gelände der saudischen Botschaft ziehen.

Der 55-jährige Al-Nimr war wegen seiner Kritik an der Unterdrückung der religiösen Minderheit in Saudi-Arabien durch das sunnitische Königshaus eingesperrt worden. Der Aktivist war für seine Unterstützung friedlichen Protests bekannt. Inspiriert von den Protesten der arabischen Aufstände hatte er im von Schiiten bewohnten saudischen Osten ab 2011 Demonstrationen organisiert.

Irans Regierung bestellte den Vertreter des saudischen Botschafters ein. "Anstatt sich mit den (IS-) Terroristen zu beschäftigen, die die Region und die ganze Welt gefährden, lassen die Saudis eine Persönlichkeit wie al-Nimr hinrichten", sagte Irans Außenamtssprecher Dschaber Ansari.

Aufrufe zu Protesten in sozialen Medien

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty hatte in der Vergangenheit kritisiert, Saudi-Arabien setze das Todesurteil auch als politisches Instrument gegen die schiitische Minderheit ein, die etwa 15 Prozent der Bevölkerung ausmacht. In dem überwiegend sunnitischen Land waren bereits in den vergangenen Monaten schiitische Geistliche und Aktivisten zum Tode verurteilt worden.

In sozialen Medien kursieren diverse Aufrufe zu Protesten in Saudi-Arabien. Zunächst wurden aber keine Demonstrationen aus dem ultrakonservativen Königreich gemeldet. Im benachbarten Bahrain, wo Schiiten die Mehrheit der Bevölkerung stellen, kam es dagegen zu Protesten.

Saudi-Arabien rechtfertigte die Exekutionen mit den terroristischen Taten der Betroffenen. Diese folgten "den Fußstapfen des Teufels. Durch ihre terroristischen Taten ist unschuldiges Blut vergossen worden mit dem Ziel, die Stabilität in diesem Land zu erschüttern", hieß es nach Angaben der staatlichen saudischen Nachrichtenagentur SPA in einer Stellungnahme des Innenministeriums in Riad vom Samstag.

Saudi-Arabien hatte 2015 laut Menschenrechtlern so viel Todesurteile vollstreckt wie seit 20 Jahren nicht mehr. Der Anstieg geht einher mit der Machtübernahme von König Salman im Januar. Von Januar bis November waren demnach mindestens 151 Menschen hingerichtet worden, hatte Amnesty mitgeteilt - im gesamten Jahr 2014 seien es 90 gewesen. Die Verurteilten werden entweder enthauptet oder erschossen.