Teil II unserer Serie „Hinterhofgeschichten“: Das Theater Atelier führt in diesem Jahr zum ersten Mal ein Sommertheater auf. Schreiende Papageien oder auch das Wetter spielen gewissermaßen mit auf der Bühne im Hinterhof und lassen jede Aufführung zu einem ganz eigenen Erlebnis werden.
S-Ost - Es muss nicht immer die große Bühne sein. Im Sommer spielt sich das Drama auch manchmal in einem unscheinbaren Hinterhof an der Stöckachstraße im Stuttgarter Osten ab. Ein paar Stühle für die Zuschauer, zwei kleine Boxen für die Musik und eine Laderampe genügen dem Theater Atelier, um seine Besucher in eine andere Welt zu entführen. An diesem Samstagabend geht es mit Molières „Don Juan“ auf eine Reise in die Welt des Frauenverstehers, der immer nur macht, was er für richtig hält und dabei ständig auf der Flucht ist vor all den Rachesuchenden, die einst in seine Fallen getappt sind.
„Gerade die Idee, im Hinterhof zu spielen, hat mich gereizt“, sagt der Schauspieler Tobias Wagenblaß, der den Don Juan verkörpert und „immer für Verrücktes zu haben ist“. Die verrückte Idee für das Sommertheater, das in diesem Jahr erstmals stattfindet, hatte der Regisseur, Schauspieler und Theaterpädagoge Vladislav Grakovski. „Es ist eine ganz besondere Atmosphäre von Freiheit unter freiem Himmel“, sagt er. Schreiende Papageien, vorbeiflatternde Vögel oder auch das Wetter spielten gewissermaßen mit auf der Bühne im Hinterhof und ließen jede Aufführung zu einem ganz eigenen Erlebnis werden.
Möglich machen das auch die Nachbarn an der Stöckachstraße: Wenn Aufführungen im Hinterhof anstehen, verzichten sie auf ihre Parkplätze im Hinterhof, die Firma nebenan stellt ihre Laderampe als Bühne zur Verfügung. „Alle haben ganz toll auf meine Anfrage reagiert und freuen sich, dass im Stuttgarter Osten etwas los ist“, sagt Grakovski.
Die Schauspieler entwickeln die Rollen aktiv mit
Mit dem Theater Atelier, das im April vergangenen Jahres seine erste Hausproduktion aufführte, hat sich Grakovski einen Traum erfüllt. Bei Maske, Technik und Getränkeausschank helfen Frau und Tochter mit. Für seine Stücke aus unterschiedlichen Genres holt er sich professionelle Schauspieler, gemeinsam werden die Stücke entwickelt. „Ich mag diese Arbeitsweise, als Schauspieler aktiv meine Rolle mit zu entwickeln“, sagt Daniel Neumann, bereits zum zweiten Mal in einer Produktion des Theaters Atelier dabei.
Im Theater Atelier sind die Schauspieler Teil des Ganzen: „Alle packen auch mal beim Soundcheck oder dem Auf- und Abbau mit an“, sagt Grakovski. Gerade wenn sie im Hinterhof spielen, wird vor und nach den Vorstellungen jede helfende Hand gebraucht. Langeweile kommt aber auch nicht auf, wenn im Inneren des Gebäudes Theater gemacht wird. Mit mobilen Wänden und Podesten kreiert Grakovski immer wieder neue Theaterräume, kein Stück ist wie das andere: „Für Weihnachten plane ich eine nonverbale Version des Nussknackers“, berichtet der Regisseur. Gerade als kleines Theater sei es wichtig, sich immer etwas Neues einfallen zu lassen. Das locke nicht nur das Stammpublikum aus dem Stuttgarter Osten an, sondern manchmal auch Gäste von weit her: „Ich hatte schon Besucher aus Freiburg oder Dortmund, die extra zu uns gekommen sind.“
Vermutlich schätzen auch sie die intime Atmosphäre, wie die Schauspielerin Bianca Spiegel, die im „Don Juan“ die Donna Elvira verkörpert und sonst meist vor mehreren Hundert Leuten auftritt, zurzeit beispielsweise in „Evita“ im Alten Schauspielhaus. „Es ist spannend, ganz nah beim Publikum zu sein. Ich bin sogar fast aufgeregter als in einem großen Haus“, sagt sie. Spiegel gefällt es jedenfalls so gut, dass sie bereits zugesagt hat, bei einer der nächsten Produktionen des Theaters Atelier wieder mit dabei zu sein.