Mit Die Krähen schrieb Mathias Bach eines der frühen Kapitel Stuttgarter Rap-Musik. Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Kolchose erinnert sich Bach an die Zeit davor und danach. Und an Morgen.

Stuttgart - Mathias Bach möchte es auch nach 52 Lebensjahren noch genau wissen, denkt lieber einmal zu oft nach als einmal zu wenig. „Die Frage ist: Gibt’s die Kolchose überhaupt noch, und man feiert jetzt 25 Jahre Kolchose - oder feiert man die Entstehung vor 25 Jahren?“, überlegt Bach. „Letzteres erscheint mir durchaus greifbar, obwohl ich mittlerweile ganz woanders bin und auch vorher schon woanders war. Für mich ist die Kolchose ein abgeschlossenes Kapitel. Ziemlich genau seit 1997.“

 

Bachs Beitrag zur 1992 gegründeten losen Stuttgarter Hip-Hop-Clique könnte jedoch kaum gewichtiger sein. Monique Rembowski alias DJ MoUnique leitete ihn in den frühen 90er-Jahren in die Wege. Die DJane war eine umtriebige Netzwerkerin im Stuttgarter Nacht- und Kulturleben, obwohl damals noch kaum jemand vom „Netzwerken“ sprach. Monique kannte Leute, die Trends aus den Metropolen, und sie verfügte über einen erlesenen Geschmackssinn, der unter anderem auch Drum’n’Bass-Musik in Stuttgart verankerte.

Mathias Bach freestylte seine Verse damals bereits in deutscher Sprache, interessierte sich für Jazz, Hip-Hop-Kultur, Literatur und hing mit Leuten vom Hamburger Silly Walks-Soundsystem herum. „Ich solle mal Sonntags im Club Das unbekannte Tier vorbeischauen, sagte Monique. Es wären immer diese Typen da, wenn sie auflegt.“ Diese Typen waren Wasi Ntuanoglu, Emil Calusic und Max Herre. Wasi gründete Massive Töne, Max seinen Freundeskreis, Mathias Bach alias MC Großmaul und Emil gründeten ihre Crew Die Krähen.

Mathias Bach machte Stuttgart zu „Benztown“

Noch bevor Massive Töne das auch heute noch gewichtigste deutschsprachige Rap-Album „Kopfnicker“ veröffentlichten, kamen Die Krähen 1995 mit „Benztown“ auf den Markt. Vielleicht ein bisschen zu früh, vielleicht auch etwas unausgereift – aber definitiv echt. Auch weil gängige Formeln im Deutschrap noch nicht existiert haben und die Produktionstechnik ebenfalls noch nicht so ausgereift war, die US-Vorbilder punktgenau zu adaptieren. Doch das hier hatte Eigengeruch.

Der Titel „Benztown“, mittlerweile freilich inflationär durchgekaut, entsprang Bachs verschrobener Fantasie, seiner Begeisterung für Versmaß und dem Stück „Bucktown“ der US-Rapper Smif-n-Wessun. Die redeten von Brooklyn, Bach von Stuttgart. Vielleicht sollte sich auch das Stadtmarketing bei Die Krähen bedanken – schließlich geht auch die popkulturelle Nutzung von „0711“auf diese Gruppe zurück. Bach lacht: „Stuttgart ist alles, nur nicht Stuggi!“

„Ich habe Hölderlin und Rolf Dieter Brinkmann gelesen, A Tribe Called Quest gehört und versucht, das zusammenzubringen“, erzählt Bach. Der heute 52-Jährige war damals schon etwas älter als der Rest der Kolchose. „Hip-Hop war nicht meine erste Liebe“, erklärt der Krankenpfleger. Bevor Bach nach Stuttgart zog, war er unter anderem aktiv im Waiblinger Punk-Umfeld des Jugendzentrums Villa Roller.

Nun vollbrachte Mathias Bach 2017 das Kunststück, in gleich zwei Museumsprojekten mit von der Partie zu sein, beide wegweisend für die heutige Kulturlandschaft der Stadt: „Wie der Punk nach Stuttgart kam“ und nun der „Palais der Kolchose“. Dass Bach heute keines der Gesichter dieser Kulturen ist, mutet da fast etwas tragisch an. „Ich war an vielen Dingen hier beteiligt, aber eben nie in der Art, dass ich einer Sache vorgestanden hätte.“

Spaß an der Sprache

So war Mathias Bach auch im Spoken-Word- und Slam-Poetry-Geschäft unterwegs, bevor das ein ertragreiches Feld für gelangweilte Großstadt-Hipster wurde. Für ihn war es eine weitere Form, Spaß mit der Sprache zu haben. Rap, definiert er noch heute so: „Du hast etwas zu sagen, und Du sagst es über einem rhythmisierten Stück. Da war ich schnell an dem Punkt, an dem es mir egal war, was für eine Art Rhythmus das letztlich ist und wie er kreiert wurde. Sampler, Schlagzeug, was auch immer . . . Vielleicht bin ich auch deshalb anders abgebogen als der Rest der Kolchose.“

„Ich habe mich nicht distanziert“, sagt Bach. „Das war eine Entwicklung, in der die Berührungspunkte zwischen uns immer weniger wurden. Ich hatte auch noch meinen Job als Krankenpfleger, konnte nicht auf Tour gehen.“ Das vorläufige Ende vom Lied sah dennoch so aus, dass einige seiner Freunde Popstars wurden und für Kunst gefeiert wurden, die er selbst mit auf den Weg gebracht hatte. „Es gibt Dinge, über die ich mich ärgere, aber verbittert bin ich nicht“, erzählt er. Seit Jahren schon arbeitet Bach daran, eine Platte zu veröffentlichen, die seiner Idee von Wort und Musik entspricht. Zuerst mit der Band L’Egotrip und mittlerweile mit Suedheim. Im Frühjahr soll das Album endlich auch veröffentlicht werden.

Zeit wäre es. Mathias Bach zuckt mit den Schultern: „Das Enttäuschende ist, dass man als Künstler nur am Output, nicht aber am Input gemessen wird.“