Die Schweizer Hip-Hop-Sängerin La Nefera und ihre Band haben am Wochenende im Pavillon Sindelfingen gezeigt, dass Rappen in der Schweiz nicht nur für Münzgeld steht, sondern auch eine kapitale Musikkompetenz sein kann.

Eigentlich verbindet man die IG Kultur und den Pavillon eher mit Jazz, Blues und Rock. Inzwischen hat der Kulturverein sein Spektrum deutlich erweitert. So findet sich im aktuellen Programm auch A-Cappella-Bands, Theater, Kabarett und sogar traditionelle indische Musik. In diese Erweiterung des Spektrums passt auch Hip-Hop aus der Schweiz. Genau das gab es am Samstag beim Auftritt von Sängerin La Nefera und ihrer Band.

 

La Nefera bedeutet übersetzte so viel wie „die Schönheit ist gekommen“. Jennifer Perez, eine in der Dominikanischen Republik geborene Schweizerin aus Basel, hat diesen Künstlernamen angenommen und identifiziert sich mit ihm. Denn sie bezieht ihn in erster Linie nicht auf sich, sondern auf die Fähigkeit, Schönes zu bewirken.

Texte über Frauenrechte und #MeToo-Bewegung

In ihren ersten Kompositionen setzt sie sich vor allem mit ihren karibischen Wurzeln auseinander. In ihren jüngsten Rapsongs dagegen verschiebt sich der Fokus immer mehr zu Frauenrechten, Equal Pay oder der #MeToo-Bewegung, bei denen sie sich engagiert und zugleich ihren persönlichen Weg geht.

Wer die hintergründige Lyrik in ihren Tracks sucht, scheitert meist schnell an der Sprachbarriere. Denn La Nefera rappt auf Spanisch, der Sprache ihrer Jugendtage. „Das Spanische erinnert mich an meine unbeschwerte Jugendzeit“, erklärt sie, warum sie für ihre Texte nicht stattdessen auf Schweizerdeutsch zurückgreift.

Die Schöne und das Feierbiest

Die Show von La Nefera und Band beginnt mit einem Sousafon-Intro des französischen Rappers und Blasmusikers Victor Hege. Der riesigen Basstuba entlockt er Töne, die an die Musik der Schweizer Alpen erinnert. Dann aber wird die Soundcollage immer mehr verfremdet. Mit dem darauf einsteigenden Drummer Florian Haas, ein Schweizer mit Stuttgarter Wurzeln, und Nefera selbst, entwickelt sich das Stück zu einem Rap. Haas bedient neben dem Schlagzeug über elektronische Pads noch die Backing Tracks, also vorher aufgenommene Begleitsequenzen elektronischer Instrumente und Beats. Dabei hat er allerhand zu tun und schafft es gleichzeitig noch, hier und da ganz cool ein Schlagzeugsolo vom Feinsten einzustreuen.

Der neben La Nefera eigentliche Treiber der Band aber ist Victor Hege. Die Begleitung seiner Blasinstrumente Sousafon und Eufonium gibt dem Rap das rhythmische Grundgerüst. Das gelingt ihm umso mehr, als er die Töne zum Teil mit elektronischen Effekten verfremdet und so neue Elemente hinzufügt. Victor Hege ist jedoch nicht nur für die Blasmusik zuständig, sondern auch der Counterpart im Rapgesang zu La Nefera. Mit seiner lockeren Art, kurzen Hosen und seinem französischen Akzent in der Interaktion mit dem Publikum ist er das Feierbiest in der Band.

Sängerin erklärt spanische Songs

Nach dem Intro folgt Song auf Song, mal auf lateinamerikanische Rhythmen oder klassischen Rap-Grooves basierend. Da nur wenige des Spanischen mächtig sind, kündigt La Nefera bei vielen Songs an, worum es geht. Das Stück „A Vivir“ schrieb sie, als sie ihren Job als Sozialarbeiterin gekündigt hatte, um sich voll und ganz der Musik zu widmen. Leider kam einen Monat später Corona und die Auftritte brachen weg. In der Reflexion der Situation im Song sagt sie jedoch, dass die Entscheidung richtig war.

Der Titel „Quiero Mas“ („[Ich] will mehr“) spielt den Dialog zwischen dem Chef und seiner Mitarbeiterin, die gleichen Lohn für sich als Frau einfordert. Der Song wurde für den internationalen Frauentag 2019 komponiert und dort erstmals aufgeführt. Mit Songs wie „C’est ça“, „Mbira“ oder „Bam Bam“ animieren die beiden Frontleute das Publikum zum Klatschen, Mitsingen und Tanzen – was ihnen schließlich auch gelingt.

Zum Schluss dieses energiegeladenen Auftritts wird die Band nach anhaltendem Applaus zweimal wieder auf die Bühne für Zugaben zurückgeholt. „Schade, dass sich nicht mehr Interessierte dazu entschlossen haben, das Konzert zu besuchen“, meint Hilmar Kallweit, der zweite Vorsitzende der IG Kultur. „Ihnen ist auf jeden Fall ein Feuerwerk des Hip-Hops entgangen.“