Die Hip-Hop-Open sind Geschichte. Am Samstag fanden sie zum letzten Mal in Stuttgart statt. Die großen magischen Momente des Festivals liegen schon ein paar Jahre zurück. Wehmut gab es dennoch zum versöhnlichen Abschluss.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Jedes gute Festival hat seine magischen Momente, an die sich in der Rückschau alle in einem kollektiven Zustand der Glückseligkeit erinnern. Die Hip-Hop-Open haben über die Jahre viele solche Momente hervorgebracht. Legendär der Auftritt von LL Cool J im Degerlocher Platzregen. 2001 performte der Posterboy des US-Rap mit nacktem Oberkörper im Wolkenbruch, gut ausgeleuchtet mittels Flutlicht. 2012 dann die Reunion der Kolchose vor 19 000 Besuchern. Der vielleicht emotionalste Moment in der Festivalgeschichte vor der bis heute größten Kulisse.

 

An solche magischen Momente kam die letzte Ausgabe der Hip-Hop-Open am Samstag nicht heran. Trotz Marsimoto als Headliner, trotz einer ordentlichen Portion US-Rap durch A$AP Rocky, trotz der beiden alten Hasen Afrob und Samy Deluxe als ASD – man wurde das Gefühl nicht los, dass die Ära Hip-Hop-Open Zurecht zu Ende geht. Das lag zum einen am überschaubaren Zuschauerinteresse auf dem Wasen in Bad Cannstatt. Bereits im vergangenen Jahr waren die Hip-Hop-Open nur schwach besucht gewesen. Bei ihrer letzten Ausgabe 2015 sah die Masse vor der großen Bühne eher nach 6000 Zuschauern aus als nach den vom Veranstalter genannten 12000.

Marsimoto über jeden Zweifel erhaben

Zum anderen lag der überschaubare Abschiedsschmerz auch an der Tatsache, dass die Hip-Hop-Open 2015 ihre musikalisch besten Momente hatten, wenn die Reise bis in die 90er Jahre zurückging. Als Samy Deluxe die Beginner Hymne „Füchse“ von 1998 etwa performte. Oder als A$AP Rocky seine sehr sehenswerte Show durch das von Band Abspielen von Smells like teen spirit von Nirvana unterbrach, und die Fans vor der Bühne, die zum größten Teil noch gar nicht auf der Welt waren, als das Lied 1991 erschienen ist, zu einer fröhlichen Pogo-Runde ansetzten.

Headliner Marsimoto ist als Live-Act über jeden Zweifel erhaben. Das Alter Ego von Marteria ist dank des Wechselspiels aus Pyrotechnik, futuristischem Superheldenanzug und verzerrtem Gesang immer wieder sehenswert. Allerdings trat Marsimoto mit dieser Show bei den Hip-Hop-Open nicht zum ersten Mal in Erscheinung. Bereits 2013 erzählte er auf diese Weise seine Geschichten vom Grünen Samt, eine energetische Verneigung vor dem Konsum von Cannabis.

So stimmten denn auch viele Beobachter der letzten Ausgabe der Hip-Hop-Open eher pragmatisch in den Abschiedsgesang mit ein. „Für die Festivallandschaft ist das natürlich brutal schade, für mich hat das Festival über die Jahre aber seine Kolchose-Seele verloren und wurde durch die Bookings etwas beliebig“, stellte etwa DJ und Moderator Alexander Franke fest.

Ein magischer Moment zum Abschluss

Die Veranstalter selbst trifft an den etwas erwartbaren Bookings und am Ende der Hip-Hop-Open übrigens nicht die alleinige Schuld. Der Festival-Markt ist schlicht und einfach übersättigt. Von Juni bis zum Ende des Sommers konkurrieren an jedem Wochenende Festivals um die Gunst des Publikums – oft mit ähnlichen Künstlern. Dazu fehlte den Hip-Hop-Open am Ende die Möglichkeit, das Sommer-Urlaubsfeeling gleich mit vermarkten zu können, wie es Veranstalter Steffen Posner gegenüber der Stuttgarter Zeitung im Vorfeld erklärt hatte.

Genug gejammert: Die Hip-Hop-Open hatten bei ihrer letzten Ausgabe dann doch noch einen dieser magischen Momente: Vor Headliner Marsimoto gaben die Orsons und Massive Töne einen Überraschungs-Auftritt. Zuerst zeigten die Orsons, dass sie derzeit zurecht als beste Hip-Hop-Band der Stadt gelten. Dann flossen endgültig einige Tränen der Rührung, als Massive Töne ihre Stuttgart-Hymne „Mutterstadt“ zum Besten gaben, gefolgt von „Cruisen“ und „Traumreise“, ehe die Orsons zum furiosen Finale noch einmal Schwung in die Kiste brachten. Stuttgart ist nun um eine Attraktion ärmer. Ob ein anderes Festival diese Lücke wird schließen können? Gegen weitere magische Momente des Pop hätte in dieser Stadt sicher keiner etwas einzuwenden.