Der Backnanger Fotograf Peter Wolf nimmt die Leser mit seinem neuen Buch mit auf eine Zeitreise durch die Gaststätten der Murrstadt. Er hat auch ein paar kuriose Geschichten ausgegraben.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Backnang - Peter Wolf ist nicht in Backnang geboren worden, dennoch kennt der Fotograf und Autor die Murrstadt wie seine sprichwörtliche Westentasche. Vor gut 30 Jahren hat es ihn dorthin verschlagen, der Liebe wegen. Die Liebe ist vergangen, der 63-Jährige indes ist geblieben. Er engagiert sich beim lokalen Heimat- und Kunstverein, sammelt alte Fotos und die Geschichten dazu. Jetzt hat Wolf das Buch „Das Backnanger Wirtschaftenwunder“ veröffentlicht.

 

Der Mann mit dem verschmitzten Lächeln hat auch ein paar kuriose Anekdoten der Lokalhistorie ausgegraben. Zum Beispiel die Geschichte von der Weinstube Beck, die – so Wolf – einst eine „illegale Kneipe“ gewesen sein dürfte. Im Adressbuch der Stadt Backnang von 1898 jedenfalls habe er entdeckt, dass Gottlob Beck Privater gewesen sei. In der Niederschrift einer alten Backnangerin hingegen habe er gelesen, dass dieser Herr Beck „Wirt und Bäcker“ war. Die Dame habe ferner erzählt, dass der Mann in seiner winzig kleinen Weinstube nur zwei runde Tische gehabt habe. In seinem Backofen, der in der Küche eingemauert war, habe Beck Brezeln und Doppelwecken gebacken, „die er im Wirtschäftle gebraucht hatte“. Von wegen Privater.

Vorwort des Vorsitzenden des Heimat- und Kunstvereins

Im Vorwort des gut 100-seitigen Buches erzählt der Vorsitzende des Heimat- und Kunstvereins, Ernst Hövelborn, dass es gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Backnang fast 60 Wirtschaften gegeben habe – bei deutlich weniger Einwohnern als heute. Im Laufe des 20. Jahrhunderts habe sich die Zahl der Betriebe auf 40 reduziert. Dann zitiert Hövelborn Gerhard Dieterich einen Mann, der sich intensiv mit der Geschichte der Backnanger Wirtschaften beschäftigt hat: „Ja hen dia bloß no gesoffa?“ Nein! Stammtische spielten anno dazumal, so Hövelborn, „eine große Rolle als Ort politischer, kommunaler oder auch weltanschaulicher Diskussionen, die im Zeitalter der sozialen Medien mit ihrer Dominanz der Einzelmeinung nicht mehr stattfinden“. Ein in Backnang angesehener Handwerksmeister habe einst erzählt, dass er täglich nach Feierabend ins Wirtshaus gehe. Nur nicht an Weihnachten und am Karfreitag.

Die Texte zu den alten Aufnahmen hat Wolf teilweise dem Backnang-Lexikon entnommen, teilweise selbst recherchiert. Zu vielen Bildern von anno dazumal hat der Fotograf eigene Fotos von heute gestellt. Auf diese Weise wolle er die Stadtentwicklung dokumentieren. Etwa jene des Hotels Holzwarth, das zunächst Eisenbahn hieß, weil es von 1874 bis 1876 – während des Baus der Bahnstrecke zwischen Waiblingen und Backnang – von Ingenieuren und Technikern frequentiert wurde. Später wurde das Haus dann nach dem Gründer benannt, dem Bierbraumeister Carl Holzwarth. 1961 eröffnete in den ehemaligen Wirtschaftsräumen eine Filiale der Commerzbank. Das Hotel Holzwarth nebenan bot mehrere Doppel- und Einzelzimmer. 2018 schließlich wurde das komplette Gebäude abgerissen. Zurzeit entstehen auf dem Gelände mitten in der Stadt die Kronenhöfe, mehrstöckige Gebäude mit Läden und Wohnungen darüber.

Ein Lokal „der ultralinken Szene“

Leser des Büchleins erfahren auch, dass die Germania in den 1930er Jahren „das Lokal der ultralinken Szene war“, so Wolf. Sie sei damals das Stammlokal der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) gewesen. Wolf erzählt und dokumentiert auch die weitgehend unbekannte Geschichte des Jägerhauses: In einer alten sogenannten Fallhütte im Plattenwald zur Beseitigung von Tierkadavern eröffnete der Löwenwirt Johann Peter Vincon 1873 eine Gartenwirtschaft. 1892 wurde aus der Hütte eine Trinkhalle mit Kegelbahn. Doch schon wenig später, so schreibt Wolf, sei diese Wirtschaft wohl schon wieder geschlossen worden, vermutlich auch wegen des Waldheims, das 1925 in unmittelbarer Nähe eröffnet worden ist – und das es noch heute gibt.