Bei einem besonderen Rundgang stellt Jutta Klein vom Heimatverein bemerkenswerte Frauen vor, denen oftmals unrecht getan wurde.
Auf Spurensuche hat sich Jutta Klein vom Heimatverein Weil der Stadt am Wochenende begeben. Bei zwei Führungen beleuchtete sie im Zusammenhang mit den Weil der Städter Frauenwochen die Geschichte und Geschichten von Frauen – an verschiedenen Orten und unter verschiedenen Aspekten. „Diese Spurensuche ist nicht einfach“, sagte sie, denn konkret bekannt seien bisher nur wenige Frauen. Daher sei noch viel Forschungsarbeit nötig.
Eine der Ausnahmen ist Benigna Fickler, von der es sogar ein Porträt aus dem Jahr 1531 gibt. Ihr Sohn hat seine Mutter, die aus einer reichen Ulmer Patrizierfamilie stammte und den Weil der Städter Tuchhändler und Ratsherr Michael Fickler in dritter Ehe geheiratet hatte, als „ein Weib sonderlichen Verstandes“ beschrieben. Sie konnte Latein schreiben und lesen und mit den großen Reformatoren jener Zeit Diskussionen führen, eine hochgebildete und an aktuellen Themen interessierte Frau. „Diese Frau hätte wohl besser zu Ulm gepasst als ins kleinstädtische Weil der Stadt“, sagte Jutta Klein.
Auch die Mutter von Johannes Kepler wurde angeklagt
Religion und Glaube bestimmten in der Vergangenheit mit ihren vielen Regeln nicht nur das gesellschaftliche Zusammenleben, sondern spendeten Frauen auch Trost, etwa angesichts der vielen früh verstorbenen Kinder. Farbe ins Leben brachten die goldgeschmückten Figuren in den Kirchen. Geschichten von Heiligen, auch von weiblichen, eröffneten Frauen eine andere Welt jenseits ihres Alltags, erklärte Jutta Klein. Beispiele für die Marienfrömmigkeit gibt es auch in Weil der Stadt viele. So wurden etwa das Spital und die Spitalkirche „unserer lieben Frau“ gewidmet.
Auf dem Weg von der Kirche Peter und Paul zum Spital führte Jutta Klein, die im Stadtarchiv arbeitet, die Teilnehmerinnen auf den Marktplatz, wo sie über das Schicksal der mit einem Weil der Städter verheirateten Katharina Kepler aus Eltingen berichtete, die 1615 in Leonberg als Hexe angeklagt und nur durch die Intervention ihres berühmten Sohnes Johannes Kepler vor dem Scheiterhaufen bewahrt wurde. Vielen anderen Weil der Städterinnen gelang dies nicht. Von 42 Frauen, die zwischen 1625 und 1629 wegen Hexerei verurteilt wurden, wurden 40 getötet. „Erst als die Frau des Stadtschultheißen bezichtigt wurde, endeten die Hexenprozesse“, sagte Jutta Klein.
Tagelöhnerin verklagte die Stadt im 17. Jahrhundert
Am ehemaligen Obertor, wo es Arrestzellen vor allem für Frauen gab, die sogenannten „Hurenstüble“, kam sie auf Maria Fischerin, die 1616 ebenfalls angeklagt und gefoltert wurde, zu sprechen. Sie konnte ins württembergische Magstadt flüchten, wo sie freikam. Beim Reichskammergericht in Speyer reichte sie Klage ein. „Es muss eine Genugtuung für sie gewesen sein, wenn eine Tagelöhnerin die Stadt verklagen kann“, sagte Jutta Klein. Der Ausgang des Verfahrens sei nicht bekannt.
Die Teilnehmerinnen der Führung erfuhren, wie es um die Bildung von Mädchen bestellt war, die erst Ende des 19. Jahrhunderts wegen des Französischunterrichts zur Realschule zugelassen wurden. Jutta Klein berichtete zudem vom rigiden Umgang mit unehelich schwangeren Frauen – Beispiele gibt es in den Skortationsprotokollen im Stadtarchiv. In der Nähe des ehemaligen Kapuzinerklosters erzählte sie von einem „Nonnenhaus“, in dem wohl bis zur Reformationszeit eine Gemeinschaft von Beginen lebte, die ihren Unterhalt aus eigenem Vermögen oder karitativen Tätigkeiten bestritten.
Stiftung versorgt Arme, Kranke und Alte
Eine Begine war vermutlich auch Hail Brodbegkin oder Helene Brodbeck, die im 14. Jahrhundert durch ihre Stiftung die Grundlage für das Spital in Weil der Stadt legte, das jahrhundertelang eine wichtige Einrichtung für Arme, Kranke und Alte war. Dort hatte die „Spitalmutter“ eines von zwei städtischen Ämtern inne – neben der Hebamme – die von einer Frau ausgeübt wurden. Sie hatte als Gattin des Spitalmeisters Küche, Geflügel und Waisenkinder zu versorgen, sagte Klein.
Zum Schluss führte sie die Teilnehmerinnen in die Spitalkapelle, „ein weiteres sehr spannendes Thema“, vermittelt doch der dortige Sippenaltar aus dem 15. Jahrhundert ein Familienbild der damaligen Zeit.