Vom Sorgenkind zum Vorzeigeobjekt – das Dorf Beuren mit dem dichtesten Bestand an historischen Baudenkmalen hat die Lähmung überwunden. Mit dem Bürgermeisterhaus wird nun das nächste Kleinod restauriert.

Beuren - Unter dem verschlissenen Linoleum liegt Geschichte. Wirtschaftsgeschichte. Bei der Sondierung im rund 600 Jahre alten Bürgermeisterhaus von Beuren sind die Sanierungsfachleute auf Pitch-Pine gestoßen. „Pechkiefer-Dielen, vermutlich aus Kalifornien. Das ist ein edles Holz, das im Kaiserreich gern in repräsentativen Gebäuden verbaut worden ist – in Bahnhöfen, in Postämtern, in Rathäusern oder eben in Bürgermeisterhäusern“, sagt der Architekt Markus Weismann. Die Handelsschiffe, die mit ihren Waren in die Neue Welt unterwegs waren, hatten, um Leerfahrten zu vermeiden, auf dem Rückweg den begehrten Rohstoff aus den kalifornischen Wäldern gebunkert.

 

Es gibt noch viel zu sondieren und zu entdecken in der 3500 Einwohner zählenden Gemeinde am Albtrauf. In Beuren stehen nicht nur die beiden ältesten Dorfhäuser Baden-Württembergs – die beiden einzigen, die noch aus dem 14. Jahrhundert erhalten geblieben sind. Mit mindestens 15 weiteren mittelalterlichen Gebäuden verfügt die Gemeinde darüber hinaus über die höchste Dichte geschützter Baudenkmale in Baden-Württemberg.

40 Führungen mit potenziellen Investoren

„Das ist ein Schatz“, sagt Daniel Gluiber, der Bürgermeister der Gemeinde. Ein Schatz und eine Verpflichtung. An den Gebäudeveteranen nagt der Zahn der Zeit. Sie drohen zu verfallen. Schließlich wurde der Leidensdruck so groß, dass Gluibers Amtsvorgänger, Erich Hartmann, in die Vorwärtsverteidigung ging. „Beuren verschenkt ein Haus“ lautete die Nachricht, die viel mediales Aufsehen erregt hat. „Verschenkt haben wir das an das Rathaus angrenzende Doppelhaus Linsenhöfer Straße 4/6 dann doch nicht“, schmunzelt Gluiber, der damals schon, als Gemeindekämmerer, die Hand auf der Kasse hatte. Immerhin: die Schlagzeile hat ihre Wirkung nicht verfehlt. „Ich habe damals 40 Führungen mit potenziellen Investoren gemacht“, erinnert sich Gluiber.

Das war vor drei Jahren. Jetzt ist das Haus an der Hauptstraße frisch renoviert und bezogen. Nebenbei dient es als Vorzeigeobjekt für die Möglichkeiten, die in einer alten Gebäudesubstanz stecken. Das 1392 errichtete Gebäude, ebenso wie das kaum jüngere und ebenfalls in neuem Glanz erstrahlende Gebäude Hauptstraße 10/12, leistet den Beurenern inzwischen als Lockvogel gute Dienste.

250 Quadratmeter mit Blick auf die Kirche

Jetzt liegt das Augenmerk auf dem ehemaligen Bürgermeisterhaus aus dem Jahr 1422. Verschenkt wird es nicht. „Aber es ist ein Geschenk“, sagt Tobias Ott, der das Gebäude im Auftrag der JaKo Baudenkmalpflege an den Mann oder an die Frau bringen soll. Knapp eine Million Euro müsste ein Interessent auf den Tisch legen, um 250 Quadratmeter fachkundig sanierte Wohnfläche sein Eigen zu nennen – den Blick auf das historische Ensemble von Kirche und Pfarrhaus inklusive. „Und, von der Badewanne aus, mit freier Sicht auf den Hohenneuffen“, ergänzt Ott.

Als „Denkmalflüsterer“ bezeichnet Gluiber die in Rot an der Rot beheimateten JaKo-Sanierungsexperten. Die Expertise der Fachleute ist auch regelmäßig im benachbarten Freilichtmuseum Beuren gefragt, wenn es mal wieder gilt, ein historisches Gebäude umzuziehen und an anderer Stelle wieder aufzubauen. Da mutet die Aufgabe im Beurener Ortszentrum vergleichsweise harmlos an. Schließlich bleiben die Häuser dort, wo sie seit Jahrhunderten stehen. „Wir wollen den historischen Häusern in unserer Mitte nur neues Leben einhauchen“, sagt der Schultes.

Neben dem repräsentativen Bürgermeisterhaus komplettieren das ehemalige Lehrer-Wohnhaus und die in den 1950er Jahren aufgegebene Grundschule die Häuserzeile. In wenigen Wochen sollen auch hier die Handwerker anrücken. Wenn alles nach Plan verläuft, könnten die Häuser zum Jahresbeginn 2018 bezugsfertig sein.

Wesentlich jüngeren Datums ist das in den 1920er Jahren erbaute Haus an der Einmündung zur Hauptstraße. Allerdings kommt ihm, als Gegenspieler zum Rathaus über der Straße, eine städtebaulich wichtige Rolle zu. Hier soll eine Ladenzeile im Erdgeschoss zum Verweilen einladen. Darüber werden Wohnungen entstehen.