Das Alte Schulhaus wird 200 Jahre alt. Daran erinnert eine Ausstellung. Viele Bürger steuern Erinnerungen bei – nicht nur Schulranzen und Stickereien aus dem Handarbeitsunterricht.

Gerlingen - Es ist Geschichte – aber auch ein Teil der Lebensgeschichte von vielen Gerlinger Bürgern. Die sind heute im gesetzten Alter, können sich aber noch gut an ihre Schulzeit erinnern: die Zeit mit Griffel, Tafel, Lederranzen, die Buben in kurzen Hosen und langen kratzigen Strümpfen, die Pause auf dem benachbarten Platz der alten Kelter zubringend. Das Alte Schulhaus an der Weilimdorfer Straße gibt es seit 200 Jahren – bis 1958 trampelten Mädchen und Buben über die Treppe aus Holz in die drei Klassenzimmer. Dann gab es das Schulhaus an der Ditzinger Straße, das Gebäude an der Weilimdorfer Straße wurde bewohnt und seit 1982 zum Stadtmuseum. Dessen Sanierung steht an.

 

Schulausstellung im Klassenzimmer

In einem der ehemaligen Klassenzimmer wird am Sonntag die Ausstellung „Meerrohr, Tintenfass und Kreidestaub“ eröffnet. Es ist eine Schau, die sich sowohl dem Schulgebäude an sich, aber auch den Menschen darin widmet, kleinen und großen. Viele Gegenstände von Gerlingern sind in den Vitrinen zu sehen – aber auch solche, die sie gar nicht gern gesehen haben. Denn die Museumsleiterin Catharina Raible legte Wert darauf, nicht nur die rosa Seiten des Schülerlebens von einst zu beleuchten. Deshalb kommen auch die Erziehungsprinzipien von einst zur Sprache. Will heißen: Die Strafen bei kleinen und großen Vergehen. Schlagen gehörte zum Alltag.

„Meerrohr“ ist die hochdeutsche Ausdrucksweise des Tatzensteckens. „Viele unserer Zeitzeugen haben den auch als ,Meerröhrle’ bezeichnet“, erläutert Raible. Denn Tatzen oder andere körperliche Gewalt waren nach dem Strafstehen oder Nachsitzen an der Tagesordnung, und mancher Lehrer war damit nicht zimperlich. Den Strafenkatalog gab es schriftlich: beispielsweise in der Kirchenordnung von 1559 oder in einer Verordnung aus dem Jahr 1880. Hiebe auf den Hintern oder andere Züchtigungen wurden hierzulande übrigens erst 1970 verboten – was diese Form der Pädagogik, so berichten Zeitzeugen, aber nicht sofort aus der Welt schaffte.

Viele Gerlinger haben Erinnerungsstücke an ihre Schulzeit zu der Ausstellung beigesteuert. Nach einem Aufruf in unserer Zeitung habe sie historische Fotos, Bücher, Ranzen und Handarbeiten überlassen bekommen, berichtet die Historikerin, aber auch zahlreiche mündliche Berichte. Es sei lange noch üblich gewesen, dass Kinder morgens vor der Schule schon in der heimischen Landwirtschaft hätten mitarbeiten müssen – die Lehrer hatten das Recht, deswegen Kinder vom Unterricht zu befreien.

Strafe für Flüchtlingskind

Einer der Einsender ist der CDU-Stadtrat Rudolf Sickinger: Er stellte ein Foto von sich als etwa achtjährigem Schulbub zur Verfügung. Seine erste Lehrerin sei Fräulein Donner gewesen, erinnert er sich, abgelöst von Herrn Braumüller. Dieser ist in der Ausstellung oft zu erkennen. „Wir hatten Respekt, aber keine Angst vor ihm“, erzählt Sickinger. Eine andere Erinnerung gibt Catharina Raible wieder: Irgendwann nach dem Krieg sei ein Mädchen aus einer Flüchtlingsfamilie bestraft worden. Es hatte der Lehrerin widersprochen – es heiße auf Hochdeutsch nicht „der Butter“, sondern „die Butter“. So ist es an die Tafel geschrieben. Davor stehen harte Bänke. Schule war halt nicht immer bequem.

Eine Schau und viele Termine

Eröffnung
Die Ausstellung „Meerrohr, Tintenfass und Kreidestaub“ im Gerlinger Stadtmuseum wird eröffnet am Sonntag, 10. Juni 2018, um 11.15 Uhr.
Dabei spricht der Stadtbaumeister Thomas Günther über „Das Schulhaus im Wandel der Zeit“. Denn das Haus wurde während seines Bestehens etliche Male den Bedürfnissen angepasst – die nächste Sanierung und ein Erweiterungsbau stehen bevor. Am Sonntag um 15 Uhr ist eine Führung.

Öffnungszeiten
Regulär dienstags von 15 bis 18.30 Uhr und sonntags von 10 bis 12 und von 14 bis 17 Uhr. Im August ist geschlossen. Die Ausstellung dauert bis zum 2. Oktober.

Rahmenprogramm
Während der Ausstellung gibt es ein Gespräch mit Zeitzeugen am 24. Juni um 15 Uhr.
Am 6. Juli von 14 bis 17 Uhr ist Begegnungscafé im Museumshöfle; am 8. Juli „Sonntagscafé für dich und mich“.