Vor drei Jahren besann sich der Weinforscher Shivi Drori auf heimische Arten. Seine Studenten schwärmten aus, fündig wurden sie vor allem in den palästinensischen Gebieten, wo in Weingärten nach wie vor uralte Arten wie Dabouki, Jandali, Hamdani oder eben Marawi gedeihen. Mehr als hundert Traubensorten will Drori entdeckt haben. Zudem fanden sich an archäologischen Ausgrabungsstätten vertrocknete Samen, deren DNA mit lebenden Rebstöcken gekreuzt werden könnte. Drori begann mit dem Versuchsanbau. Seine unter Laborbedingungen gekelterten Proben testeten auch die Recanati-Winzer. „Der Marawi hat uns sofort beeindruckt“, sagt der Kellermeister Ido Lewinsohn. „Der hat einen eigenen Charakter und ist nicht identisch mit europäischen Weinen.“

 

Die Trauben für den Marawi bezieht Recanati aus der Gegend um Bethlehem von einem palästinensischen Weinbergbesitzer, was dort weniger gern gesehen wird. Zumal die nahe gelegene Klosterkelterei Cremisan schon seit sieben Jahren heimische Weine wie Dabouki, Hamdali und Jandali produziert und als palästinensische Erzeugnisse vertreibt. Fadi Batarseh, einer der Cremisan-Experten, hat Weinbau in Italien studiert. Ihn nervt, dass die Israelis sich als jetzt als Vorreiter präsentierten. „Sie können ja sagen, was sie wollen, aber bevor die Israelis überhaupt auf die Idee kamen, hatten wir Weine wie in alter Zeit.“ Auch hätten nicht erst die Israelis einen genetischen Vergleich angestellt, sagt Batarseh und verweist auf eine italienisch-palästinensische Analyse von 64 Varianten besagter Rebsorten aus dem Jahr 2012.

Der Wein soll allen gehören, Palästinensern und Israelis

Der palästinensische Unmut mag auch daher rühren, dass Drori seine Untersuchung an der Universität Ariel betreibt, der einzigen israelischen Hochschule in einer Westbank-Siedlung. Umso mehr achten die Recanati-Manager darauf, ihr begehrtes Nischenprodukt nicht in den politischen Konflikt hineinziehen zu lassen. „Wir vermarkten unseren Marawi als lokalen Wein“, betont Jacoby. „Er gehört zu diesem Land und daher den Israelis wie den Palästinensern.“ Ganz bewusst hat Recanati den Namen Marawi in hebräischer, lateinischer und arabischer Schrift aufs Flaschenlabel drucken lassen. Und für die erste Präsentation in einer Bar südlich von Tel Aviv wurde eigens die arabische Sängerin Luna Abu Nasser engagiert.

Tatsächlich dürfte Konkurrenz dem Wein aus „heiligen Landen“ gut bekommen. „Liebend gerne sähen wir, wenn möglichst viele es uns nachtun“, sagt der Recanati-Chef. Merlot werde schließlich inzwischen überall angebaut. Aber einen ureigenen Wein hervorbringen zu können, das kröne jedes Anbaugebiet. Wegen des Absatzes jedenfalls muss sich keiner sorgen. Das weiß man auch hundert Kilometer weiter in Cremisan. „Sobald unsere Besucher die Geschichte vom Dabouki, dem ,Star of Bethlehem‘, hören, wollen sie unbedingt probieren, was sie sonst nirgends kriegen können“, sagt Fadi Batarseh. Das Feine daran: der Genuss ist ungetrübt, ohne sauren Nachgeschmack, wie man ihn von manchem Fairtrade-Wein her kennt. Na denn, zum Wohl, auf den nächsten Jahrgang!