Israelis entdecken biblische Rebsorten wieder, wie sie einst David und Jesus genossen. Überlebt haben sie in palästinensischen Weingärten. Unsere Korrespondentin Inge Günther hat sie verkostet.

Netanja - So oder so ähnlich könnte der Wein schmecken, den schon Jesus getrunken hat. Die meisten Weintrinker werden von der Rebsorte Marawi, auch Hamdani genannt, nicht viel gehört haben. Aber zu biblischen Zeiten war das daraus gewonnene edle Tröpfchen verbreitet. Im Talmud wird es als herb und gut zu lagern beschrieben. Professionelle Weintester von heute meinen gar eine Note Pfirsich oder Kastanie auf der Zunge zu spüren.

 

Jedenfalls kann sich die israelische Weinkellerei Recanati aus Emek Hefer, einer Industriezone nördlich der Küstenstadt Netanja, vor Nachfragen kaum retten. „Alle wollen unseren Marawi“, stöhnt der Geschäftsführer Noam Jacoby mit unverhohlenem Stolz. Die Vorstellung, ein Spitzenprodukt zu verkosten, das bereits die jüdischen Könige von David bis Herodes zu schätzen wussten, hat einen enormen Hype ausgelöst. Allerdings gab der erste Jahrgang der Neuauflage, der Marawi 2014, gerade 2480 Flaschen her – nicht genug, um all die Interessenten aus USA, Großbritannien und Deutschland zu versorgen. Bislang beliefert Recanati nur zehn Tel Aviver Restaurants mit diesem ebenso jungen wie geschichtsträchtigen Wein. Von Ende Januar an soll auch ein Berliner Edellokal zum Kundenkreis zählen.

Der Wein kehrt zu den Ursprüngen zurück

Israelische Winzer zieht es buchstäblich zurück zu den Wurzeln, denn die ersten Weinberge lagen in Nahost, wo man schon vor 4000 Jahren gegorenen Traubensaft genoss. Später fanden die Römer Gefallen am Wein und verschifften ihn fassweise nach Europa. Auch Rebstöcke wurden dort alsbald kultiviert. Vermutlich stammt französischer Chardonnay aus dem heutigen Libanon und der Shiraz aus dem Iran.

In den Ursprungsländern verkümmerte indes die Weinkultur vom 13. Jahrhundert an – Grund war die islamische Vorherrschaft. Dank einiger Klöster kam sie zum Glück nicht völlig zum Erliegen. Mit den jüdischen Einwanderungswellen ging es wieder aufwärts mit der Weinproduktion. Allerdings bauten die israelischen Weingüter, von denen es heute rund 350 gibt, bisher europäische Rebsorten an.