Historisches aus Großbottwar Räuber erwischt und an Galgen hingerichtet
Das Boardinghouse Rose in Großbottwar hat eine bewegte Geschichte: Im 18. Jahrhundert war es das Gasthaus „Rößle“ des berüchtigten Räubers Linse.
Das Boardinghouse Rose in Großbottwar hat eine bewegte Geschichte: Im 18. Jahrhundert war es das Gasthaus „Rößle“ des berüchtigten Räubers Linse.
Tatort Bottwartal“ – so überschrieb Helga Becker alias „Frau Nägele“ einen Beitrag zur Heimatkunde. Ist die schwäbische Kabarettistin doch auch „die Perle vom Archiv“ in Steinheim an der Murr. Ihr Titel passt. Ob an Rhein, Mosel, im Harz, Hunsrück, Bottwartal oder anderswo, das 18. und das beginnende 19. Jahrhundert war die Zeit der Räuberbanden. „Die Räuber“ des Marbacher Dichters Friedrich Schiller spricht Bände. Als Sturm und Drang-Drama nimmt es die späteren Interpretationsrichtungen der Wissenschaft voraus.
Die Historikerin Katrin Lange beschreibt in „Zwischen Verurteilung und Ideologisierung“, wie man anfangs das Bild zeitgenössischer Kriminalbeamter übernahm von verrohten, skrupellosen, allgegenwärtig bedrohenden Banditen, später den organisierten Räuberbanden ob „der ökonomischen und sozialen Bedingungen ihrer Zeit, ein politisches Bewusstsein, Sympathie mit den Armen und eine Frontstellung gegen die etablierte Gesellschaft“ zusprach „in die Nähe des sozialen Protests“ und „Sozialbanditentums“. Klar ist, die Banden, meist gut organisierte Parallelgesellschaften, waren eine Folge der vielen Kriege seit der Reformation: Mittel- und heimatlose Soldaten vagabundierten herum, aus Betteln wurde oft eine kriminelle Karriere mit Raub, Brandstiftung, Mord.
In Gaststätten tauschte man sich aus, plante Raubzüge. Teils waren Wirte involviert – als Hehler, Diebesgut verhökernd oder selbst stehlend. Wie der berüchtigte Johann David Linse – respektive Lensing: Erich Viehöfer beschreibt ihn in den „Geschichtsblättern aus dem Bottwartal“. Im Jahr 1751 wurde er in Großbottwar geboren als Sohn des Stuttgarter Metzgers Häusser und der Rielingshäuserin Klara Wildermuth, die nach dessen Tod den Metzger Andreas Linse heiratete. Sie führten jenseits der Großbottwarer Stadtmauern die Schildwirtschaft „Zum Weißen Rössle“, ein Gasthaus für Reisende, wo neben ehrbarem auch zweifelhaftes fahrendes Volk verkehrte. Linse kaufte es im Jahr 1780 von Mutter und Schwestern für 1650 Gulden – zu teuer für ihn und seine Frau, die Pleidelsheimer Pfarrerstochter Johanna Elisabeth Faber.
Schon zuvor hatte er gestohlen, nun ging es mit Einbrüchen und Diebstählen weiter. Spektakulär brach er 1782 mit Komplizen durch die Wand der Stuttgarter Landschaftskasse, verursachte 6301 Gulden Schaden. Mit seinem Anteil – rund 1200 Gulden – zahlte er die Schulden und baute ein Haus. Geld, Silberwaren, Betten, Vieh und mehr erbeutete er etwa in Großbottwar, Heilbronn, Stuttgart, Ludwigsburg, oft nachts allein, auch mal zu zweit. „Dass die Region, der sogenannte Schwäbische Kreis, durch eine Vielzahl an weltlichen und geistlichen Herrschaften zerstückelt war, spielte den Gesetzlosen ebenfalls in die Karten“, sagt Helga Becker. Zeitweise hätten sich 29 Landesherren, 20 reichsunmittelbare Prälate, 31 Reichsstädte, sowie die österreichischen Herrschaften und die freien Reichstädte das Gebiet geteilt. So konnten die Gauner fix auf „fremdes“ Hoheitsgebiet fliehen. Linse wurde im April 1789 in Kornwestheim auf frischer Tat ertappt. Man fand Diebesgut in vielen Verstecken, etwa einer tiefen Grube im Schuppen. Nach der Untersuchungshaft im Zucht- und Arbeitshaus in Ludwigsburg, wurde er am 21. November 1789 öffentlich am Ludwigsburger Galgen hingerichtet.