Das Gebäude mit der Anschrift Altbacher Hof 3 steht schon seit mehr als vier Jahrhunderten. Dennoch wird es ab und zu verwechselt. Von der langen Geschichte des ehemaligen Bauernhofs erzählt ein Mann, der heute direkt nebenan wohnt.

Volontäre: Valentin Schwarz (vas)

Anneliese Seitz-Sorg muss immer wieder an der Türe Erklärungsarbeit leisten. „Bei uns klingeln manchmal Leute und wollen einchecken“, sagt die 70-Jährige. Der Grund: Mit ihrem Mann Thomas Sorg wohnt sie in der Erdgeschosswohnung des Hauses mit der Adresse Altbacher Hof 3. Vor dem Gebäude am Altbacher Ortsrand steht ein auffälliges Holzschild mit dem Schriftzug „Altbacher Hof“, das einst ein Bewohner dort anbrachte. Das sorgt für Verwechslungsgefahr mit dem Hotel gleichen Namens, das sich im Ortskern der Gemeinde befindet.

 

Dabei hat das eine mit dem anderen nichts zu tun. Während „Hof“ ein früher gebräuchlicher Begriff für Hotels war, geht der Name des Wohnhauses auf seine landwirtschaftliche Nutzung zurück. Im 14. Jahrhundert kaufte das Esslinger Spital dem Kloster Adelberg das Grundstück ab und errichtete hier einen Bauernhof. Das Fundament des heutigen Hauses wurde im Jahr 1618 erbaut, wie eine Wandinschrift belegt. Damit gehört der Altbacher Hof zu den ältesten noch bestehenden Gebäuden des Ortes. Auf den ersten Blick ist ihm das aber nicht unbedingt anzusehen. Anders als bei den meisten anderen Häusern ähnlichen Alters, ist das für die Erbauungszeit charakteristische Fachwerk hinter Putz versteckt.

In der Straße kennt man sich

Die lange Tradition des Altbacher Hofs zeigt sich für Thomas Sorg stattdessen in seiner Bedeutung für die Menschen drumherum. „Man spürt den historischen Charakter vor allem im Zusammenspiel mit der Nachbarschaft“, sagt der 73-Jährige. Mit seiner Frau zog er 1985 in die Erdgeschosswohnung. Schnell sei ihnen aufgefallen, dass sich der Großteil der Nachbarinnen und Nachbarn gut kannte, fügt Anneliese Seitz-Sorg hinzu. Thomas Sorg nennt den Grund: „Viele der drumherum wohnenden Leute stammten ursprünglich aus diesem Haus.“

Thomas Sorg zog 1985 in eines der ältesten Häuser Altbachs. Foto: Roberto/ Bulgrin

So ist es zum Beispiel bei Erich Schnerring. Der 87-Jährige sagt: „Ich bin hier geboren“ – wie schon Generationen seiner Vorfahrinnen und Vorfahren. So lange es sich zurückverfolgen lässt, befindet sich der obere Teil des Gebäudes im Besitz seiner Familie. Der untere Teil gehörte einer anderen Familie. Stockwerkeigentum nennt sich diese einst geläufige Aufteilung, eine Vorgängerin des heutigen Wohnungseigentums.

Drei Jahrhunderte Landwirtschaft

Deshalb standen neben dem Wohnbereich früher zwei landwirtschaftliche Anbauten, mit jeweils einer Scheune und einem Stall pro Besitzer. Sie wurden mehr als 300 Jahre lang genutzt. Das änderte sich erst im Zuge der Industrialisierung, als Schnerrings Großvater begann, in den neu gegründeten Neckarwerken in Esslingen zu arbeiten. „Meine Großeltern haben Ende der 1930er-Jahre die Landwirtschaft aufgegeben“, erzählt der 87-Jährige. Damit wurden Scheune und Stall überflüssig. 1966 riss Schnerring den landwirtschaftlichen Anbau seiner Familie ab. Er sagt: „An diesen Platz habe ich dann mein eigenes Haus gebaut.“ Die andere Besitzerfamilie ging ähnlich vor, seitdem besteht der historische Hof aus drei Wohngebäuden, mit den Adressen 3-9. Im mittleren wohnt Schnerring noch heute, direkt neben seinem Geburtshaus, gewissermaßen als lebendes Gedächtnis des Altbacher Hofs.