Das älteste Gebäude in Musberg gibt es seit 1581. Lange Zeit wurde die Scheuer auch als Gemeindesaal genutzt; bald soll sie aufwendig saniert werden. Ihre Entstehung geht auf eine skandalöse Kriminalgeschichte zurück.

Musberg - Die Kirche in Musberg bildet zusammen mit dem Pfarrhaus und der alten Pfarrscheuer ein historisches Ensemble. Die denkmalgeschützte Gebäudegruppe im Kirchhof prägt seit Jahrhunderten das Ortsbild im Zentrum des Dorfes. Die Pfarrei hat eine lange Tradition. Sie spielt zudem eine besondere Rolle in der evangelischen Kirchengeschichte: Die Musberger Kirchengemeinde war nämlich die erste Pfarrei in Württemberg, die nach Einführung der Reformation 1563 gegründet wurde.

 

Damit ging für die Musberger ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung. Zuvor mussten die Gläubigen bei Wind und Wetter nach Rohr oder nach Möhringen pilgern, wenn sie an den Gottesdiensten teilnehmen wollten. Was viele nicht wissen: Der Bau der historischen Pfarrscheuer geht auf eine folgenschwere und schier unglaubliche Kriminalgeschichte zurück. Dazu später mehr.

Dem Pfarrer gingen die Arbeiten nicht schnell genug voran

Zum ersten Pfarrer in Musberg wurde 1563 Christoph Raff ernannt. Aufgrund der schlechten Besoldung seines Amtes ließ er sich 1566 nach Degerloch versetzen. Sein Nachfolger in Musberg wurde Wolfgang Wild. Wie sein Vorgänger litt auch Pfarrer Wild unter der kargen Besoldung, die in keinem Verhältnis zum breiten Aufgabenspektrum der Pfarrei stand. Neben dem jährlichen Gehalt von 110 Gulden erhielt Wolfgang Wild Naturalien in Form des Ernteertrages aus dem Großen und Kleinen Zehnten. Dies nützte dem Pfarrer jedoch wenig, da in ganz Württemberg Getreidemangel und Hunger herrschte. Wild konnte seine Familie nicht ausreichend versorgen, die Kinder mussten hungern, die Nerven des Geistlichen lagen blank. Um das wenige Getreide, das er sich auf dem Stuttgarter Wochenmarkt leihen musste, einlagern zu können, forderte Pfarrer Wild 1569 beim örtlichen Schultheißen Jos Burkhardt den Bau einer Pfarrscheuer.

Zwar wurde noch im selben Jahr mit dem Bau der Scheuer begonnen, doch dem Pfarrer gingen die Arbeiten vermutlich nicht schnell genug voran. Daraufhin entzündete sich ein heftiger Streit zwischen Pfarrer und Ortsvorsteher. „Pfarrer Wild hat seinem Namen leider alle Ehre gemacht“, berichtet Leinfelden-Echterdingens Stadtarchivar Bernd Klagholz, denn es blieb nicht bei einer verbalen Auseinandersetzung. Zwischen Schultheiß und Gottesdiener kam es zu einer wilden Schlägerei, in dessen Folge Jos Burkhardt schwere Verletzungen erlitt. „Burkhardt starb kurze Zeit später an den Folgen dieser Verletzungen“, weiß Klagholz. Pfarrer Wild verlor daraufhin seine Stelle. Der Bau der Pfarrscheuer wurde unterbrochen.

Das Gebäude soll wieder als Gemeindehaus genutzt werden

Pfarrer Georg Laux, der Wolfgang Wild folgte, erreichte nicht nur eine Verbesserung der Besoldung, sondern ließ 1574 auch die Arbeiten an der Scheuer wieder aufnehmen. 1581 konnte die Pfarrscheuer schließlich eingeweiht werden. Damit ist die Scheuer das älteste Gebäude in Musberg. 1927 wurde die Scheuer umgebaut und als Gemeindesaal genutzt. Aus dieser Zeit stammt der heute noch geläufige Begriff des „Säle“ für das Gebäude. Mit dem Bau des neuen Gemeindehauses im Jahr 1974 verlor das „Säle“ jedoch seine Funktion und liegt seither brach. Nach dem Willen der Kirchengemeinde soll das geschichtsträchtige und stark sanierungsbedürftige Gebäude jedoch bald in neuem Glanz erstrahlen. Der Musberger Architekt Nikolai Ziegler erarbeitete mit Studierenden der Universität Stuttgart ein modernes und zukunftsfähiges Nutzungskonzept für die Pfarrscheuer.

Unter dem Motto „Heimat bewahren und gestalten“ soll das brachliegende Gebäude nach den Sanierungs- und Umbaumaßnahmen wieder als Gemeindehaus genutzt und der gesamte Pfarrhof wieder mit neuem Leben gefüllt werden. Unter anderem erhält das sanierte Fachwerkgebäude im Erdgeschoss einen Mehrzwecksaal und eine Küche. Im Untergeschoss entstehen Lager- und Technikräume als auch barrierefreie Toiletten, im Dachgeschoss zusätzliche, kleine Gruppenräume, eine Teeküche und weitere Toiletten. Die Baugenehmigung liegt bereits vor. Die Umsetzung erster Maßnahmen ist laut Nikolai Ziegler für Herbst 2018/Frühjahr 2019 angedacht.