In Filderstadt und Leinfelden-Echterdingen stehen Gebäude und Häuser, die einst einen völlig anderen Nutzen hatten als heute. Einige dieser steinernen und stummen Zeugen der Geschichte stellen wir in einer Serie vor. Heute: der Schnecken in Plattenhardt.

Plattenhardt - Der Schnecken ist das wohl älteste Gebäude in Plattenhardt. Das Haupthaus wurde laut Jahresringuntersuchung der Holzbalken im Jahr 1553 errichtet, 1579 erfolgte der nördliche Anbau. Seinen Namen verdankt das denkmalgeschützte Gebäude einer spiralförmigen Wendeltreppe (schwäbisch Schnecken) in einem angrenzenden Turm. Allerdings ist eine solche Wendeltreppe für ein damaliges Bauernhaus sehr ungewöhnlich gewesen. Filderstadts Stadtarchivar Nikolaus Back erklärt: „Wahrscheinlich wurde die Wendeltreppe von einem anderen Gebäude hierher versetzt.“ Aufgrund der hohen handwerklichen Kunst am Portal der Wendeltreppe müsste es sich laut Back um ein herrschaftliches Haus gehandelt haben. „Über ein solches prunkvolles Haus ist in Plattenhardt aber nichts bekannt“, erklärt der Stadtarchivar. Es bleibt also ein Mysterium, woher der Schnecken seine namensgebende Wendeltreppe hat.

 

Der böse Ritter, der verflucht wurde

Gleichsam ungeklärt bleibt auch die folgende Geschichte, die sich um das Gebäude rankt: Vor mehreren Jahrhunderten soll laut einer Sage im Schnecken ein Tyrann gelebt haben, den die Dorfbewohner aufgrund seiner Hartherzigkeit und Brutalität schlicht den „bösen Mann vom Schnecken“ genannt haben.

Nach diesem Ritter, der seinem Herrn als Lehensmann gedient haben soll, ist auch ein Teil des Plattenhardter Waldes benannt. Im „Bösemann-Biegel“ – ein schluchtartiges Waldstück zwischen Häfner-Neuhausen und Burkhardsmühle – soll der „böse Mann“ besonders oft gejagt haben. Als Plattenhardt unter großer Hungersnot litt, flehten die Dorfbewohner den Ritter an, ihnen etwas aus seinen reichlich gefüllten Kammern und Scheunen zu geben. Er aber lachte die Verhungernden nicht nur aus, sondern verspottete sie obendrauf. Er ließ die Menschen an einem gedeckten Tisch Platz nehmen, setzte ihnen aber einen alten Ritterhelm mit fixiertem, herabgelassenem Visier auf, so dass sie die Speisen zwar sehen, aber nicht essen konnten. Anschließend ließ er die kraftlosen Dorfbewohner von blutrünstigen Hunden hinausjagen. Ein alter Mann, der von den Hunden zu Tode gebissen wurde, verwünschte den herzlosen Ritter. Und deshalb verwandelte sich laut Sage zur Strafe sämtliches Essen, das der Ritter verspeisen wollte, in Stein. In seiner Verzweiflung biss der „böse Mann“ ein Stück vom steinernen Brot ab und erstickte daran.

Im Schnecken wurden Fahrräder hergestellt

Nachzulesen ist all dies in der Ortschronik des gebürtigen Plattenhardters Martin Bürkle. Der in die USA ausgewanderte Bürkle veröffentlichte 1891 mehrere Sagen, die er in Erinnerung an seine Zeit in Plattenhardt niedergeschrieben hatte. „Der Wahrheitsgehalt dieser Geschichte darf aber angezweifelt werden“, sagt Stadtarchivar Back dazu. Unzweifelhaft ist unterdessen das Kapitel „Schnecken-Fritz“. Von 1928 bis 1993 befand sich in dem Gebäude der Fahrradladen Fritz Ruck. Hier wurden Anfang der 1930er Jahre sogar Fahrräder produziert. Gemeinsam mit Robert Schlecht fertigte der Firmengründer Friedrich Ruck bis zu hundert Räder mit dem Namen „Schwalbe“.

Nachdem das Geschäft aufgegeben worden war, stand der Schnecken kurz davor, im Rahmen der Ortskernsanierung abgerissen zu werden. Die Stadt besaß Anteile des Gebäudes, fürchtete aber hohe Kosten für eine aufwendige Sanierung. „Glücklicherweise konnte ein Investor gefunden werden, der das gesamte Gebäude 1996/97 denkmalgerecht sanierte“, berichtet Nikolaus Back. Heute ist eine gutbürgerliche Gastwirtschaft im Schnecken. Die Obergeschosse des Altbaus sind zu modernen Wohnungen umgebaut worden.