Bei der neuerlichen Auflage des Historischen Volksfestes in diesem Herbst (24. September bis 3. Oktober) auf dem Schlossplatz soll er nur eine Nebenrolle spielen. So bedeutete es der Gemeinderat dem Veranstalter in.Stuttgart und dem Organisatoren Wulf Wager. Vorneweg im Kampf gegen den Monarchen marschiert Hannes Rockenbauch von der SÖS und Vorsitzender des Linksbündnisses, die FrAktion. Als der Gemeinderat beschloss, die Ausrichtung des Historischen Volksfestes mit knapp einer Million zu unterstützen, sparte er nicht an Kritik.
Was wird kritisiert?
Vor allem, dass bei der Premiere Schauspieler etwa in die Rollen König Wilhelms I., seines Enkels Wilhelm II. und Königin Katharinas geschlüpft waren und dem Publikum aus ihrer Sicht von Fest, Land und Leuten berichtet hatten, missfiel ihm. Die Monarchie sei nichts, was man heute noch befürworten solle, sagt er laut Protokoll. Für ihn habe es einen solchen Charakter, wenn etwa als Königin kostümierte Personen aufträten. Er wolle nicht zurück in die Zeit, als Monarchen dem Volk nach Hungerkatastrophen Feste geschenkt hätten, damit es nicht zu revolutionären Zuständen komme. Es müsse eine klare Distanzierung und Einordnung von solchen zum Glück überwundenen Zuständen kommen.
Kein Verständnis für die Reaktion
Das konnten die Ausrichter so verstehen, dass die Schauspieler nicht mehr erwünscht seien. Sie strichen diesen Programmpunkt. Das leuchtet Sabine Schief nicht ein. Sie verkörperte 2018 die Schauspielerin Amalie von Stubenrauch, langjährige Gefährtin und Seelenverwandte von Wilhelm I. „Wir haben doch nicht die Monarchie hochleben lassen“, sagt sie, „wir haben Geschichte vermittelt, und die Menschen waren so neugierig und interessiert.“
Auch Organisator und Brauchtumsexperte Wulf Wager hält diese Entscheidung für falsch. „Die Vorgabe ist jetzt so“, sagt er, „also müssen wir damit umgehen, aber die Führungen waren immer gut besucht.“ Die Geschichte des Volksfestes und des Landes seien untrennbar mit der Familie Württemberg verknüpft. Dass sie bei einem Historischen Volksfest dargestellt wird, liege in der Natur der Sache und sei keine Verherrlichung der Monarchie. Zudem seien Schauspieler auch als Bauer und Stadtgardist unterwegs gewesen. Damit habe man ja die Geschichte Württembergs und Stuttgarts aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet.
Was geschah vor 200 Jahren?
Im Jahre 1816 erbten König Wilhelm I. und Königin Katharina ein Land, das bettelarm war. Zudem hatten sie mit den Folgen einer Klimakatastrophe zu kämpfen. Die Asche vom Ausbruch des Vulkans Tambora in Indonesien verdunkelte die Sonne, es regnete in einem fort, die Ernte faulte, die Menschen hungerten. Tausende starben in den Jahren 1816 und 1817, Zehntausende wanderten aus. Das Volksfest entstand aus diesen Hungerjahren. Aus Dankbarkeit, dass die schlimme Zeit vorbei war, stiftete König Wilhelm I. im Jahr 1818 das Fest. Es sollte zum Vergnügen dienen, aber auch als Agrarmesse, auf der die Bauern wetteifern, lernen und sich fortbilden konnten.
Welche Verdienste hatte das Königspaar?
Gleichzeitig gründeten Wilhelm und seine Frau Katharina die landwirtschaftliche Unterrichts-, Versuchs- und Musteranstalt Hohenheim, Vorläufer der Universität. So wie die Sparkasse, dort erhielt nur Kredite, wer ein geringes Einkommen hatte. Auch das erste Mädchengymnasium, das Katharinenstift, geht auf sie zurück – und das Katharinenhospital. In nur drei gemeinsamen Jahren bis zum Tode Katharinas reformierte das Paar Württemberg. Sie legten die Grundlagen für den Wandel eines von Hunger und Seuchen geplagten Agrarstaats zu einer der wohlhabendsten Regionen der Erde.
Die Veranstaltungsgesellschaft in.Stuttgart richtet nicht nur das Cannstatter Volksfest aus, sie ist auch für das Historische Volksfest zuständig. Dort nahm man sich die Kritik zu Herzen, nicht zuletzt deshalb, weil der geplante Eigenanteil von einer halben Million Euro in Pandemiezeiten nicht aufzubringen war. Sprecher Jörg Klopfer sagt, 2018 seien 200 Jahre Volksfest und das 100. Landwirtschaftliche Hauptfest gefeiert worden, da habe man auf die Herkunft des Festes natürlichen besonderen Wert gelegt. Bei der zweiten Auflage spiele die Geschichte auch eine Rolle, sei aber nicht so dominant. Deshalb werde man es anders machen als 2018, zwar auf die Schauspieler verzichten, aber die historische Ausstellung rund um die Jubiläumssäule werde wieder gezeigt werden.
Wulf Wager will zumindest bei der Eröffnungsfeier dafür sorgen, dass König Wilhelm I. einen angemessenen Auftritt bekommt. Zumindest an diesem Tag soll es heißen: Es lebe der König.