Das Grauen kehrt ins Kino zurück: Hollywood hat in „Hitchcock“ die Geschichte von „Psycho“ verfilmt. Nur: Anthony Hopkins kann in der Hauptrolle nicht überzeugen. Zum Glück hat er eine bessere Hälfte an seiner Seite.

Hollywood - In den Universal Studios von Hollywood gibt’s viel zu gaffen: Earthquake, Stunt-Shows, King Kong in 3-D. Schließlich, seitab erhöht vor einer gothic-düstren Bates-Manson-Kulisse, die originäre Duschkabine aus Hitchcocks „Psycho“! Gruselsüchtige Touristenrudel ballen sich tagaus, tagein vor dieser filmhistorischen Attraktion, im Viertelstundentakt „the famous Shower Scene“ genießend – da muss man kein Studioboss sein, um zu erkennen, dass sich mit „Hitch“ noch immer ein Riesengeschäft machen lässt.

 

Der Hollywood-Regisseur Sacha Gervasi hat‘s erkannt: Selbst heute, ein Dritteljahrhundert nach seinem Tod, ist Alfred Hitchcock als Klassiker der gepflegten Verstörung ein Biopic wert. Die zeitlose Beliebtheit, derer sich Thriller- und Horrorgeschichten erfreuen, verleiht auch dem Großmeister des Gänsehautgenres unsterbliche Attraktivität – darauf könnte man spekulieren, aber Spekulationen verfliegen, wenn man sie nicht verpflockt im Hier und Heute: am besten, indem man den Altmeister Hitchcock darstellen lässt vom Altmeister kannibalistischer Schauspielerei, von Anthony Hopkins. Diese Besetzung ist klug und problematisch zugleich.

Dieser Hopkins-Hitchcock hat keinen Blick

Warum problematisch? Zwei Farmer fuchteln mit Forken ins brennende Wiesengras, so geht der Film los, doch wumms! schon haut der eine den andern tot – und uff! – schon steht Alfred Hitchcock in der Wiese und doziert kolossal onkelhaft in die Kamera: „Oh, guten Abend“, Bruder tötet Bruder, so sei das doch seit Kain und Abel, aber wie wäre die Welt fad ohne solche Geschichten, „und wir hätten niemals unseren kleinen Film bekommen, nicht wahr?“ Sagt’s, und – Schnitt – da steht er in einem fashionablen Kinofoyer in Chicago, gefeiert, umringt von Reportern: „Mister Hitchcock, Sie haben bisher 46 Filme gedreht, aber Sie sind sechzig Jahre alt – sollte man nicht aufhören, wenn es am schönsten ist?“

Feist wie eine dicke Kröte

Problematisch ist der Look. Dieser Hopkins-Hitchcock hat keinen Blick. Sein Auftreten könnte man gravitätisch nennen, aber auch krötig – den Rücken steif durchgedrückt (wohl um die Kunstwampe auszutarieren, die man ihm vor den Schmerbauch gehängt hat), so stolziert Anthony Hopkins leeren Blicks, fast ausdruckslos durch alle Szenen, die seltsam schmonzettendramatisch die Entstehung des legendären „Psycho“-Films von Alfred Hitchcock nacherzählen:

Wie er feist in der Badewanne liegt und Zeitung liest: von wegen, er sei als Meister der Suspense entthront; er habe, meinte ja auch Billy Wilder, den Höhepunkt hinter sich – und wie Frau Hitchcock gleich dagegenätzt: „Wilder? Der weiß doch gar nicht mehr, was ein Höhepunkt ist!“

Und wie sie den Gemahl, dieses „Relikt von bemerkenswerter Korpulenz“, aus der Wanne komplimentiert: „Raus jetzt, Liebster, du wirst schrumpelig!“

Die bessere Hälfte

Helen Mirren als Alma Reville (so hieß Hitchcocks Ehefrau) ist tatsächlich die bessere Hälfte in dieser Partie. Dass die Regie die Ehefrau immer wieder als treibende Kraft in den Vordergrund rückt, macht das teigige Biopic stellenweise sogar sympathisch. Bloß als sie im Bett den „Psycho“-Roman liest (im Bett, in der Wanne, im Swimmingpool, in der Küche, im Rosengarten, vorm Eisschrank beim Lauchstangenknabbern: die Regie legt Wert auf häusliches Ambiente), bloß im Bett versagt die Gattin zunächst: „Doris Day sollte ein Musical draus machen“, empfiehlt sie dem Gatten. Der aber glaubt an das Werk und lässt die Sekretärin sämtliche Buchexemplare aufkaufen, weil er will, dass „niemand das Ende kennt“.

Nackt bis auf die Duschhaube

Und wie weiter? Erst weigert sich Paramount, die Finanzierung zu übernehmen, dann bietet er selber 800 000 Dollar auf (Agent zu Paramount: „Sind Sie dabei, oder sind Sie raus?“), dann folgt das Vorsprechen des stotternden Anthony Perkins, den ihm wieder die Gattin ans Herz legt; schließlich der Zoff mit der Zensurbehörde. Hitchcock: „Meine Morde sind stets ein Muster an Takt und Diskretion.“ Also, die Frau wird nicht nackt sein, eine Duschhaube wird sie tragen. Nur, warum Klo ohne Spülung? „Vielleicht“, droht Hitchcock, „sollten wir lieber in Frankreich drehen und ein Bidet verwenden.“

Ein furioses Ritschratschspektakel

Zuletzt wird er krank, albträumt, „Psycho“ könnte ein Reinfall wie „Vertigo“ werden, fiebert, zückt wie verrückt am Set das Messer, um ein Killingbeispiel zu geben – Gervasi macht daraus prompt ein furioses Ritschratschspektakel. Dann übernimmt die Frau die Regie („Als Objektiv die 35er!“); dann: Premiere, ohne Glamour, in zwei Kinos. Aber Hitchcock steht im Foyer, dirigiert verzückt, was er erspäht: blankes Entsetzen, wie herrlich! Er hat Wachtposten aufstellen lassen, angeblich um einer Panik vorzubeugen, und sich darum gekümmert, dass der Vorhang grausame dreißig Sekunden geschlossen bleibt: „Dadurch brennt sich das Grauen unauslöschlich in die Herzen des Publikums ein.“

Ins Herz der Ehefrau brennt er sich anders ein, nämlich mit der Behauptung, er werde niemals eine Blondine finden, die so hübsch sei wie sie – darauf sie: auf dieses Kompliment habe sie dreißig Jahre gewartet, darauf er: dies sei der Grund, weshalb man ihn den Meister des Suspense nenne. Haha, tolle Pointe. Aber Hopkins trägt sie so onkelhaft vor, als sei er eher ein Meister der Bierbrauerei.