Der heiße Samstag rückte die Wasserquellen in Stuttgart in den Mittelpunkt des Interesses. Die Brunnen der Stadt verdienen noch mehr Aufmerksamkeit.

Samstag in Stuttgart. Der Duft frischer Erdbeeren liegt in der Luft. Auf einem der kürzlich aufgestellten Bänkchen hat eine ältere Dame ihre Tragetasche abgestellt. Sie sortiert ihre Einkäufe. Mittendrin im Markttreiben sprudelt das neue Fontänenfeld – hörbar je nach Intensität des Wasserausstoßes an und abschwellend. „Ich kann mir schon vorstellen, dass es eine Umstellung ist, wenn man als Marktbeschicker vor dieser Geräuschkulisse arbeiten muss“, überlegt Christiane Wurz.

 

Sie könne sich aber vorstellen, dass das auch eine Frage der Gewohnheit sei. Die 42-Jähre begrüßt das Wasserspiel ausdrücklich. Endlich habe die Stadt etwas für Familien getan, betont sie. Ihr Mann überwacht derweil, wie der Nachwuchs mit dem nassen Element auf Tuchfühlung geht. Es ist früher Mittag. Die Sonne brennt heftig und nicht nur die Kinder, die zwischen den Fontänen herumtollen, sind der Ansicht, dass es höchste Zeit für eine Erfrischung ist.

Auch der ältere Herr, der vor dem Trinkwasserbrunnen an der Hirschstraße steht, würde sich gern ein wenig Abkühlung verschaffen. Mit schalenförmig geöffneter Hand wedelt er unter dem Brunnenrohr herum. In öffentlichen Toiletten hilft das ja manchmal. Hier gilt es, den kleinen Knopf auf der rechten Seite zu finden und zu drücken. Dann erst beginnt das Brünnlein zu fließen.

Stefan (44) findet, der neue Wasserspender sei viel zu unscheinbar. Er denke, dass viele Leute durstig vorbeiliefen, weil sie gar nicht erkennen würden, dass „das Ding ein Brunnen“ sei. Besser gefällt ihm die Gestaltung des Trinkwasserbrunnens vor dem Alten Schloss, Ecke Stauffenbergplatz. Dieser Trinkwasserbrunnen wurde 2006 anlässlich der Fußballweltmeisterschaft errichtet und bietet neben dem Spender für Passanten auch ein tieferliegendes Bassin für Hunde. Francesco (56) und seine Partnerin haben eigens kleine Fläschchen zum Abfüllen dabei. Der Brunnen scheint allerdings inaktiv oder unwillig, Wasser zu spenden. Ein Knopf ist nicht auszumachen.

Der Zugang von Marvin (5) zur feuchten Abkühlung ist unmittelbarer und intensiver: Während die Eltern am Rand des nördlichen der beiden Schlossplatzbrunnen hocken und lediglich ihre Füße kühlen, hat sich der Junior in Shirt und kurzer Hose komplett ins Wasser gestürzt, dass von den personifizierten Flüssen Donau, Nagold, Tauber und Jagst gespendet wird. Während Kinder die beiden großen Brunnen mühelos als Planschbecken identifizieren, werden sie von der Erwachsenenwelt hauptsächlich als Hintergrund für Selfies oder Bilder von dem oder der Liebsten genutzt. „Ein bisschen neidisch bin ich schon“, räumt Marvins Mutter ein. „Ich kann mich hier ja aber wohl schlecht ins Wasser schmeißen.“

An den Schlossgarten-Teichen ist es ruhig

Nils (23) ist mit dem Rad unterwegs und gönnt sich an der abgesperrten Grillstelle im unteren Schlossgarten ein Päuschen. „Es ist echt wenig los heute“, sagt er. „Ich glaube, die Leute sind alle im Freibad“. Auch an den Teichen im unteren Schlossgarten ist es ruhig. Die Nachbildung der Quellnymphe von Bildhauer Johann Heinrich Dannecker tut ihr Bestes, der Hitze zu trotzen. Dankbar nimmt ein Hund ihre wässrige Gabe entgegen. „Das ist schon ganz schön warm“, bemerkt Frauchen nach Eintauchen der Hand in das Becken. Sie finde es klasse, dass Stuttgart über so viele Brunnen verfüge, stellt sie fest. Rund 250 sind es in und um die Landeshauptstadt.

Es müssen nicht immer die spektakulären Wasserspiele sein. Lachend berührt ein Kleinstkind vom Arm der Mutter aus die Oberfläche des Kugelbrunnens in der Calwer Straße und freut sich. Entspannt sitzen Kaffeetrinker und Eisgenießer am Erbsenbrunnen in Cannstatt. Gefragt, ob er wisse, wer Modell für den Knaben auf dem Erbsenrund Modell gestanden habe, zeigt sich ein bärtiger junger Mann überfragt. Die Lösung lautet: Richard von Weizsäcker.

Das obligatorische Eis am Eugensplatz

Einige Brunnen sind unmittelbar mit der Geschichte verknüpft, etwa der Galateabrunnen, dessen Errichtung 1884 von Königin Olga initiiert wurde. Am Samstagnachmittag muss die namensgebende Nymphe die Aufmerksamkeit mit ihrer entfernten Verwandten Gelateria teilen.

Eine Waffel oder ein Becherchen des Eis-Bistros Pinguin scheint inoffiziell Bedingung für einen Platz auf den Bänken am Eugensplatz zu sein. „Eigentlich ist es mir heute fast zu viel mit der Wärme“, lässt Salima (16) wissen. „Ich feiere den Brunnen. Ich mag es, das Wasser zu hören. Das Eis ist lecker. Ich glaube, viel besser gehts nicht.“

Ein paar Stäffele tiefer buhlt die Anlage an der Staatsgalerie um Aufmerksamkeit. Sie ist endlich wieder in Betrieb. Das Brunnen-Arrangement mit den Mosaikfliesen hätte mehr Aufmerksamkeit verdient. Faktisch kommt kaum jemand vorbei und wenn, dann in Eile. Immerhin: Ein Pärchen besprengt sich gegenseitig ein wenig mit Wasser. Und wer im Auto auf der B14 vorüberfährt, den ereilt vielleicht wenigstens der Hauch einer Ahnung, wie wohltuend es sein könnte, innezuhalten und die Arme in ein wenig kühles, klares Wasser zu tauchen.