Die Verwaltung stellt ihren ersten Hitzeaktionsplan vor. Es geht um kühle Orte, Trinkwasser – und deutlich extremere Maßnahmen.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Wenn es heiß wird, will die Stadt Stuttgart ihre Bürger schützen. Wie genau, steht in dem am Montag mitten in der ersten Hitzewelle des Sommers erstmals vorgestellten, 100 Seiten starken Hitzeaktionsplan.

 

Der Plan zeigt, wie stark die Zahl der heißen Tage und der Tropennächte in der Stadt steigt und dass sie weiter steigen wird. Hitze stelle „bereits heute ein ernstzunehmendes Risiko für die Gesundheit der Menschen in Stuttgart dar“. Risikogruppen wie Ältere, Kinder, Schwangere, Kranke oder körperlich Aktive will die Stadtverwaltung schützen.

Akutmaßnahmen gegen Hitze geplant

Dazu zählen viele langfristige Maßnahmen wie die Begrünung von Gebäuden, Entsiegelung, mehr Bäume oder eine weiter steigende Anzahl von Trinkwasserstellen – aber auch kurzfristige, die vor allem bei akuter Hitze greifen, wie Stuttgart sie in dieser Woche erlebt. Diese Maßnahmen führt der Plan für akute Hitzephasen im Wesentlichen auf:

Hitzebus: Der Hitzebus des Roten Kreuzes fährt an Hitzetagen mit 30 Grad und mehr. Er sucht wohnungs- und obdachlose Menschen an bekannten Sammelpunkten auf und versorgt sie mit Wasser und Sonnencreme. Im Notfall rufen die Ehrenamtlichen weitere Hilfe, außerdem fahren sie über die Hotline 0711 219 54 776 gemeldete Orte mit hilfebedürftigen Menschen an.

Kühle Orte: Auf einer interaktiven Karte zeigt die Stadtverwaltung Orte, an denen man sich abkühlen kann. Dazu zählen aktuell insbesondere schattige und angenehm temperierte Plätze wie Grünanlagen, Stadtteilbibliotheken, Spielplätze und Gewässer sowie Trinkbrunnen. Weitere Orte können über ein Umfragetool eingetragen werden. Außerdem will die Verwaltung städtische Kühlungszentren eröffnen – also klimatisierte Räume in geeigneten Gebäuden wie Bürgerhäusern oder Stadtteilbibliotheken.

Hitzeschutz bei Veranstaltungen: Mit „Empfehlungen und Vorgaben“ sollen Veranstalter helfen, die Folgen der Hitze abzumildern. Dazu zählen verpflichtende Trinkwasserstellen, Schattenplätze und gegebenenfalls klimatisierte Kühlbereiche, Aushänge und Durchsagen sowie womöglich auch eine Verschiebung der Veranstaltung in die Morgen- oder Abendstunden. Ein Vorbild sei die Fußball-EM 2024. Allerdings machten Vertreter der Stadtverwaltung am Montag deutlich, dass das nicht einfach dekretiert werden könne, sondern gemeinsam mit Veranstaltern zu besprechen sei.

Nachbarschaftshilfe: Die Verwaltung möchte in einem noch auszuarbeitenden Pilotprojekt sicherstellen, dass gefährdete Gruppen wie Ältere oder Alleinstehende Ansprache und Unterstützung von ehrenamtlich Aktiven aus ihrer Nachbarschaft erhalten. Es gibt bereits ein Projekt der Caritas mit ähnlichem Namen, das im Aktionsplan aber nicht erwähnt wird. Stattdessen sollten Projektpartner gesucht werden.

Information: Bereits jetzt werden amtliche Hitzewarnungen des Deutschen Wetterdiensts auf Werbedisplays etwa in ÖPNV-Haltestellen angezeigt. Künftig sollen die Menschen bei Hitzewellen verstärkt über die sozialen Medien informiert werden. Auch ein Infotelefon für ältere Menschen ist angedacht. Zudem wolle man an die weniger gefährdete Bevölkerung appellieren, im Zweifel nicht zum Arzt zu gehen, um medizinische Ressourcen für hitzebedingte Notfälle freizuhalten.

Extremhitze: In Notfällen sollen gefährdete Gruppen besonders geschützt und „zu kühleren Sammelplätzen evakuiert“ werden. Auch ist eine Vor-Ort-Versorgung von Menschen geplant, „die aufgrund extremer Hitze ihr Zuhause nicht verlassen können“. Solche Maßnahmen fallen unter die Kategorie „Großschadensereignis“, sollen also nur im absoluten Notfall zum Tragen kommen. Auf Nachfrage erklärte die Verwaltung, dass es noch keine fixen Kriterien gebe, die solch ein Extremereignis auslösen. Ein städtischer Mitarbeiter erwähnte Fälle einer „Hitzeglocke“ mit wochenlang anhaltenden Temperaturen von 40 Grad und mehr.


Nur wenige Kommunen haben einen Hitzeplan

Hitzeaktionspläne sind in Deutschland weiterhin die Ausnahme. Mit dem jetzt im Gesundheitsausschuss vorgestellten Plan definiert die Stadt Stuttgart den Hitzeschutz als „gesamtgesellschaftliche Herausforderung“. Im Gemeinderat sehen das nicht alle so. Die CDU-Rätin Isabelle‐Florentine Weichselgartner sagte, eine „Sensibilisierung ist sinnvoll, aber nicht wie früher beim Feinstaubalarm, der am Ende nur noch nervt“. Auch den Hitzeschutz bei Veranstaltungen sehe die CDU „kritisch“, weil Veranstalter schließlich Wasser verkaufen wollten, um Gewinne zu erzielen.

Die Vertreter der linken und grünen Fraktionen äußerten sich anders. „Bei uns im Privaten richtet sich gerade alles nach der Hitze“, sagte der Grünen-Stadtrat Fabian Reger. Er frage sich, wo die geplanten Nebelduschen bleiben: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ Clara Streicher (SPD) betonte die soziale Dimension der Hitze und dass gefährdete Gruppen ohnehin dort lebten, wo es heiß und laut sowie die Luft schlecht sei. Johanna Tiarks (Linke) erinnerte an die Hitzebelastung in Krankenhäusern und Heimen und regte analog zur Wärmeplanung eine Kälteplanung an.

Die Stadtverwaltung konnte nicht alle Fragen beantworten und nicht alle Anregungen aufnehmen. Für Kliniken, Pflegedienste oder Kitas sollen Muster für Hitzeschutzpläne bereitgestellt werden. Der städtische Hitzeaktionsplan solle laufend weiterentwickelt werden, eine zentrale Koordinierungsstelle soll die Maßnahmen überwachen.