Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Mit Hitzlsperger haben sie erstmals ein sehr prominentes Gesicht bekommen, entsprechend groß fällt die Berichterstattung aus. Von der BBC über Zeitungen in Italien, Spanien oder Frankreich bis hin zur „New York Times“ – alle thematisieren das Coming-out des 31-Jährigen und würdigen seinen Mut. „Er will, dass die Medien hartnäckig über das Thema Homosexualität berichten, bis es normal wird, darüber zu reden“, kommentiert die „Gazzetta dello Sport“. Der „Kicker“ hat sich anders entschieden und dem Thema in der aktuellen Ausgabe keinen Platz eingeräumt. In einem Kommentar erklärt das Blatt, warum: „In einem weltoffenen Deutschland sind weder die Sexualität noch Religion eines Sportlers zu thematisieren oder gar zu tabuisieren.“ Darum werde der Leser die Meldung nicht finden. „Es gibt so viel Interessanteres und Wichtigeres zu berichten. Auch im Fußball.“

 

So weit der „Kicker“. Die Reaktionen sagen etwas anderes. Im politischen Berlin meinte die Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD): „Das macht deutlich: Homosexualität gehört zur Normalität in Deutschland.“ Selbst Großbritanniens Premierminister David Cameron, ein Anhänger von Hitzlspergers Ex-Club Aston Villa, meldete sich via Twitter zu Wort: „Ich habe immer bewundert, was Thomas Hitzlsperger auf dem Feld geleistet hat – aber heute bewundere ich ihn noch mehr.“ Es sei ein mutiger und wichtiger Schritt. Und die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, befand, damit sei eine notwendige gesellschaftliche Debatte angestoßen. So oder so ähnlich sind die meisten öffentlichen Reaktionen.

Für einen entkrampften Umgang

Und genau das will Hitzlsperger: Er will helfen, das Thema zu entkrampfen. Er möchte, dass darüber gesprochen statt wie bisher vor allem geschwiegen wird – als wäre Homosexualität etwas Schlimmes. Thomas Hitzlsperger ist nicht krank. Man muss ihn nicht heilen. Ihm muss nicht geholfen werden. Er ist halt schwul. Und er will mit seinem Gang an die Öffentlichkeit gegen Homophobie ankämpfen – in der Hoffnung, dass folgende Coming-outs von Mal zu Mal weniger medialen Wirbel machen. Dass also später einmal kein Mut mehr vonnöten ist wie noch bei ihm, sondern die Reaktion einfach ist: Schwul, na und?

Das Bekanntmachen seiner Homosexualität sei nicht für seine Familie oder seine Freunde wichtig, sagte er in einer Videobotschaft auf seiner Homepage (www.thomas-hitzlsperger.de), sondern für Menschen, die andere wegen ihrer Sexualität ausgrenzten. „Sie sollen wissen, sie haben jetzt einen Gegner mehr.“ Der Fußball sei noch immer eine Machowelt.

„Ich wollte sie unterstützen“

Thomas Hitzlsperger kennt die Geschichte von Gareth Thomas. Er sagt, dass ihn dessen Mut wie auch der des britischen Turmspringers und nationalen Stars Tom Daley, der sein Coming-out im Dezember hatte, inspiriert habe. „Ich wollte sie unterstützen, wie sie mich unterstützt haben“, so der ehemalige Fußball-Nationalspieler. Gegenüber dem „Guardian“ sagte der frühere VfB-Kapitän, dass er bereits in seiner Zeit beim VfL Wolfsburg 2011/2012 an ein Coming-out gedacht habe. Ihm sei aber abgeraten worden. „Sie sagten alle, tu es nicht, eine große Welle wird über dir zusammenbrechen“, sagte Hitzlsperger: „Ich kann mir nicht vorstellen, Fußball zu spielen und das zur selben Zeit zu machen. Wir haben noch einen langen Weg vor uns, weil wir eine Reaktion fürchten und nicht wissen, was passieren wird. Schwule Fußballer sind unsichtbar.“

Ein mutiger und wichtiger Schritt

Mit Hitzlsperger haben sie erstmals ein sehr prominentes Gesicht bekommen, entsprechend groß fällt die Berichterstattung aus. Von der BBC über Zeitungen in Italien, Spanien oder Frankreich bis hin zur „New York Times“ – alle thematisieren das Coming-out des 31-Jährigen und würdigen seinen Mut. „Er will, dass die Medien hartnäckig über das Thema Homosexualität berichten, bis es normal wird, darüber zu reden“, kommentiert die „Gazzetta dello Sport“. Der „Kicker“ hat sich anders entschieden und dem Thema in der aktuellen Ausgabe keinen Platz eingeräumt. In einem Kommentar erklärt das Blatt, warum: „In einem weltoffenen Deutschland sind weder die Sexualität noch Religion eines Sportlers zu thematisieren oder gar zu tabuisieren.“ Darum werde der Leser die Meldung nicht finden. „Es gibt so viel Interessanteres und Wichtigeres zu berichten. Auch im Fußball.“

So weit der „Kicker“. Die Reaktionen sagen etwas anderes. Im politischen Berlin meinte die Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD): „Das macht deutlich: Homosexualität gehört zur Normalität in Deutschland.“ Selbst Großbritanniens Premierminister David Cameron, ein Anhänger von Hitzlspergers Ex-Club Aston Villa, meldete sich via Twitter zu Wort: „Ich habe immer bewundert, was Thomas Hitzlsperger auf dem Feld geleistet hat – aber heute bewundere ich ihn noch mehr.“ Es sei ein mutiger und wichtiger Schritt. Und die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, befand, damit sei eine notwendige gesellschaftliche Debatte angestoßen. So oder so ähnlich sind die meisten öffentlichen Reaktionen.

Für einen entkrampften Umgang

Und genau das will Hitzlsperger: Er will helfen, das Thema zu entkrampfen. Er möchte, dass darüber gesprochen statt wie bisher vor allem geschwiegen wird – als wäre Homosexualität etwas Schlimmes. Thomas Hitzlsperger ist nicht krank. Man muss ihn nicht heilen. Ihm muss nicht geholfen werden. Er ist halt schwul. Und er will mit seinem Gang an die Öffentlichkeit gegen Homophobie ankämpfen – in der Hoffnung, dass folgende Coming-outs von Mal zu Mal weniger medialen Wirbel machen. Dass also später einmal kein Mut mehr vonnöten ist wie noch bei ihm, sondern die Reaktion einfach ist: Schwul, na und?

Das Bekanntmachen seiner Homosexualität sei nicht für seine Familie oder seine Freunde wichtig, sagte er in einer Videobotschaft auf seiner Homepage (www.thomas-hitzlsperger.de), sondern für Menschen, die andere wegen ihrer Sexualität ausgrenzten. „Sie sollen wissen, sie haben jetzt einen Gegner mehr.“ Der Fußball sei noch immer eine Machowelt.

Die äußerst körperbetonten, harten Sportarten Handball, Eishockey, Rugby oder eben Fußball gelten als maskulin und werden deshalb oft als die letzten heterosexuellen Milieus bezeichnet. Nirgends liegen sich Männer wohl häufiger liebevoll in den Armen als in Stadien – und doch gelten sie als ein Hort, in dem Machogehabe und Chauvinismus ein Zuhause haben und noch ausgelebt werden, während lesbische Sportlerinnen kaum große Diskussionen auslösen. Dem früheren Bremer Torwart Tim Wiese wurde sogar von seinem Verein abgeraten, in einem rosa Trikot zu spielen – aus Furcht vor Reaktionen der Kurve.

Das Vorurteil der harten Jungs

„Harte Jungs sind doch nicht schwul“, so hat der Rugbystar Gareth Thomas, dessen Leben demnächst mit Mickey Rourke in der Hauptrolle verfilmt werden soll, die vorherrschende Meinung unter Männern einmal beschrieben. Er kämpft dagegen und ist selbst die beste Antithese. „Menschen verbinden mit dem Wort ,schwul‘ einen bestimmten Lebensstil, ich hoffe, dass ich den Leuten die Augen geöffnet habe.“ Harte Jungs können eben schwul sein. Auch Hitzlsperger hofft, dass er „jungen Spielern und Profisportlern Mut machen kann“, wie der 31-Jährige sagt. Denen, die nicht im Rampenlicht stehen und auch nicht den Schutz der Öffentlichkeit genießen. Sie sind nicht allein, ist seine Botschaft. Gerade der Volkssport Fußball mit seinen 6,8 Millionen Mitgliedern und seiner großen sozialen Kraft hat das Thema Homophobie – anders als den Kampf gegen Rassismus – lange halbherzig geführt. Mit dem Aufkommen schwul-lesbischer Fanclubs wie etwa den Stuttgarter Junxx beim VfB hat ein Umdenken eingesetzt, auch der Verband ist mittlerweile sensibilisiert.

Welche Reaktionen in Stadien aber ein schwuler Fußballer zu erwarten hätte, weiß niemand. Vielleicht sind die Fans, abgesehen von einigen Unverbesserlichen, die es wohl immer geben wird, weiter als man denkt?