Sind Faustregeln wie zwei Liter pro Tag zu trinken für die Wasseraufnahme wirklich ausreichend? Und gelten diese pauschal für alle? Eine Expertin klärt auf.
Sobald die Temperaturen steigen, rückt das Thema „ausreichend trinken“ wieder in den Mittelpunkt. Denn an heißen Tagen dehydriert der Körper schneller. Deshalb ist es wichtig, den Flüssigkeitsverlust, der beispielsweise durch Schwitzen entsteht, regelmäßig auszugleichen. Denn für die Funktion aller Organe ist Wasser unerlässlich. Aber wie viel Wasser sollte man täglich trinken?
Eine Faustregel besagt, dass man täglich zwei Liter Wasser trinken sollte. Eine andere lautet: ein Liter pro 25 Kilogramm Körpergewicht. Aber kann man das so pauschal sagen? Welche Menge ist gesund? Welche kann unter Umständen sogar lebensgefährlich sein? Wir haben mit Frau Professor Doktor Susanne Klaus vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke gesprochen. Sie ist Leiterin der Abteilung Physiologie des Energiestoffwechsels und erklärt, worauf es beim Trinken ankommt.
Zunächst muss klar sein, dass das Thema sehr komplex und der tatsächliche Wasserbedarf sehr individuell ist. Er kann von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich sein. „Es gibt tatsächlich keine wissenschaftlich festgelegten Regeln, wie viel man am Tag trinken sollte“, sagt Susanne Klaus. Die Empfehlung liege bei knapp zwei bis fünf Litern Flüssigkeitszufuhr. Das heißt aber nicht, dass man die ganze Menge in Form von Wasser zu sich nehmen muss. „Schließlich nehmen wir Flüssigkeit auch mit der Nahrung auf“, so die Expertin.
Körpergröße spielt eine Rolle beim Wasserbedarf
Etwa 60 Prozent des Wassers, das der Körper benötigt, nimmt der Mensch über das Trinken auf. Weitere 30 Prozent kommen im Durchschnitt über die Nahrung, wobei es natürlich auch darauf ankomme, ob man eine Suppe oder ein trockenes Knäckebrot isst.
„Und dann gibt es noch einen Faktor, das ist das Stoffwechselwasser. Das darf man auch nicht vergessen“, sagt Susanne Klaus und erklärt: „Durch die Oxidation der (Makro-)Nährstoffe entsteht im Körper zusätzlich Wasser. Wenn ich 100 Gramm Fett verbrenne, entstehen mehr als 100 Gramm Wasser, die dem Körper zusätzlich zur Verfügung stehen.
Ein weiterer entscheidender Faktor ist die Körpergröße und der Körperumfang. Je größer der Körper, desto mehr Wasser enthält er und desto mehr Wasser braucht er. Der menschliche Körper besteht zu etwa 60 Prozent aus Wasser. Er verliert immer etwas Wasser: vor allem über den Urin. Ein großer Teil geht auch durch Verdunstung über die Haut und über die Lunge verloren. Schwitzen trägt natürlich auch dazu bei.
Extremsportarten erhöhen den Wasserbedarf
Der Anteil, der durch Verdunstung oder Schwitzen verloren geht, ist sehr unterschiedlich. „Das hängt davon ab, wo und wie ich mich bewege“, sagt Susanne Klaus. Wer in einem gut klimatisierten Büro sitze, nicht schwitze und sich nicht viel bewege, verliere etwa einen halben Liter Wasser pro Tag. Anders sieht es bei Sportlern aus. Ein Triathlet zum Beispiel kann schon mal bis zu neun Liter Wasser pro Tag durch Verdunstung verlieren. Aber nicht nur bei Extremsportlern, auch bei normalen Menschen kann die Verdunstung zunehmen. Das kann der Fall sein, wenn man sich draußen in der Hitze aufhält und sich dann auch noch bewegt. Da können durchaus mehrere Liter Körperflüssigkeit verloren gehen, die man dann wieder auffüllen muss.
Wichtig sei, dass die Hydrierung des Körpers gleich bleibt. „Denn Wasser ist das Medium, in dem alle Körpervorgänge ablaufen. Alle zellulären Prozesse werden vom Körper sehr genau reguliert“, so die Expertin. Die Osmolarität des Blutes, also die Konzentration aller im Blut gelösten Stoffe, sollte möglichst immer gleich bleiben. Das werde auch sehr empfindlich von einem Hormon im Körper erkannt. Das Hormon im Körper steige an, sobald die Osmolarität im Körper steigt, also wenn die Hydrierung abnimmt. Zudem gebe es im Körper Mechanismen, um den Wasserhaushalt aufrecht zu erhalten. So wird beispielsweise mehr Wasser in den Nieren reabsorbiert und dadurch weniger und konzentrierter Urin ausgeschieden. Gleichzeitig steigt das Durstgefühl durch die Ausschüttung des Hormons Vasopressin.
Dass es keine einheitliche Empfehlung gibt, liegt laut Expertin daran, dass es sehr schwierig ist, den Bedarf eines Individuums zu bestimmen. Deshalb gebe es eine ungefähre Empfehlung, irgendwo zwischen zwei und vier Litern zu trinken - wobei vier Liter schon extrem seien. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Art des Getränks. Trinkt man reines Wasser oder ein Getränk mit einer höheren Konzentration an gelösten Stoffen, das wiederum die Osmolarität erhöht. „Wer stark gesüßte Getränke zu sich nimmt, braucht wahrscheinlich mehr. Das sollte man aber nicht tun, denn der Zucker ist sehr belastend und hat viele Kalorien“, sagt Dr. Klaus.
Männer benötigen mehr Wasser als Frauen
Auch geschlechtsspezifisch gibt es unterschiedliche Bedürfnisse. Männer benötigen in der Regel mehr Flüssigkeit als Frauen. Das liegt daran, dass Männer im Verhältnis weniger Fett und mehr Muskelmasse haben. Im Fett ist wenig Wasser, aber in der Muskelmasse ist relativ viel Wasser. Deshalb haben Männer auch einen höheren Wassergehalt im Körper und müssen diesen entsprechend aufrechterhalten.
Welches Getränk eignet sich am besten?
Wasser ist für den Körper am besten geeignet. Wer nicht auf Fruchtsäfte verzichten möchte, sollte auf jeden Fall eine Schorle dem puren Fruchtsaft vorziehen. „Zum Durstlöschen sollte man am besten etwas nehmen, das keinen Zucker enthält“, sagt die Expertin. Also entweder Wasser, Früchte- und Kräutertees oder eine stark verdünnte Schorle. Wem Wasser auf Dauer zu langweilig ist, kann zum Beispiel Zitronenscheiben oder Pfefferminzblätter ins Wasser geben.
Was passiert, wenn man zu wenig trinkt?
Die Folgen von Flüssigkeitsmangel können Durstgefühl, Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, Kopfschmerzen oder Schwindel sein. Das alles zu ignorieren, wäre fatal, sagt die Expertin und konkretisiert: „Wenn ich 20 Prozent meines Körperwassers verliere, ist das tödlich. Denn dann geraten alle biochemischen Prozesse aus dem Gleichgewicht und funktionieren nicht mehr“.
Das Problem bei älteren Menschen ist, dass sie oft dieses Durstgefühl nicht haben, also das Hormon Vasopressin, das das Durstgefühl auslöst, wirkt nicht mehr so gut. Im Alter sei es ohnehin schwieriger mit der Hydrierung. Ältere Menschen müssen daher aktiv darauf achten, regelmäßig Wasser zu trinken.
Welche Warnsignale gibt der Körper bei Flüssigkeitsmangel?
Ein Indikator dafür, dass ausreichend Wasser getrunken wurde, ist die Farbe des Urins. Er sollte eine helle, gelbe Farbe aufweisen. „Trinkt man zu wenig, versucht der Körper, den Urin sehr zu konzentrieren, um Wasser zu sparen“, erklärt Susanne Klaus. Das zeige sich daran, dass der Urin sehr dunkel ist. Zu viel trinken könne man eigentlich nicht. Das, was der Körper nicht benötigt, scheidet er wieder aus. Eine Ausnahme sind allerdings zuckerhaltige Getränke.
Kann man auch zu viel trinken? Ab welcher Menge kann es gefährlich werden?
Dass viel Wasser trinken gefährlich für den Körper werden kann, ist der Expertin bisher nicht bekannt. „Natürlich sollte man nicht auf einen Schlag extrem viel Wasser trinken. Das kann durchaus zu Kreislaufproblemen führen“, sagt Susanne Klaus. Der Körper könne nicht so schnell auf die Menge reagieren und sie nicht ausgleichen. Aber generell sei es besser, lieber mehr, als weniger zu trinken – man sollte es nur über den Tag gut verteilen.
Was natürlich gefährlich werden könne, sei, wenn der Körper zu wenig Natrium hat. „Salz ist ein wichtiger Elektrolyt im Körper. Einige Menschen versuchen, salzfrei zu leben. Wenn sie dann auch noch große Mengen Wasser trinken, kann es dazu führen, dass der Natriumspiegel im Körper zu niedrig wird“, erklärt die Expertin. Im schlimmsten Fall könne das zum Herzstillstand führen, da Natrium auch für die Herzkontraktion wichtig ist. Aus diesem Grund sollte man es auch nicht ignorieren, wenn der Körper nach etwas Salzigem verlangt. Schließlich verliert der Körper Salz auch beim Schwitzen, was wieder aufgefüllt werden muss.
Tipps für Trinkmuffel?
Manchen Leuten fällt es schwerer, Wasser zu trinken. In solchen Fällen kann es hilfreich sein, sich eine Karaffe Wasser hinzustellen und immer mal wieder ein Glas zu trinken. Wem das zu langweilig ist, der kann sein Wasser mit verschiedenen Früchten aufpeppen und für eine geschmackliche Vielfalt sorgen. Aber heutzutage sei das Bewusstsein fürs Trinken sowieso besser als früher, bemerkt die Expertin und fügt hinzu: „Man muss jetzt nicht panisch drauf achten, dass man seine drei Liter am Tag trinkt. So viel braucht man in der Regel nicht“.