Der menschliche Körper kann mit den hohen Temperaturen dieser Tage einigermaßen umgehen. Doch er könnte ein wenig Hilfe gebrauchen, denn Hitze ist anstrengend.

Stuttgart - Kaum etwas reguliert der Körper strenger als seinen Wärmehaushalt. Die Körperkerntemperatur, also die Temperatur von inneren Organen und Gehirn, muss auf ein Grad Celsius genau konstant gehalten werden. Schon bei 38 statt 37 Grad leidet die geistige Leistungsfähigkeit deutlich. Stoffwechselvorgänge laufen dann langsamer ab und kommen, falls die Temperatur weiter steigt, zum Erliegen. Eine Hitzewelle wie diese Woche verlangt dem Körper alles ab.

 

Der Temperaturbereich, in dem wir die Umgebungstemperatur als behaglich empfinden, ist relativ schmal. Diese „Indifferenztemperatur“ hängt auch von der Kleidung ab. „Nackt beträgt sie etwa 28 Grad Celsius, mit Standardkleidung – also etwa einem Anzug – rund 21 Grad“, sagt Hanns-Christian Gunga, Physiologe und Experte für Extrembedingungen am Zentrum für Weltraummedizin der Berliner Charité. Bei diesen Temperaturen muss der Körper am wenigsten Energie investieren, um den Wärmehaushalt zu regulieren. Dieser funktioniert über ein ausgeklügeltes System. Sensoren, die im Körperinneren und in der Haut verteilt sind, melden die aktuellen Temperaturwerte an das übergeordnete Regelzentrum im Gehirn, das sie mit dem Sollwert abgleicht.

Wird es draußen heiß, droht Überhitzung. Dann werden verschiedene Mechanismen in Gang gesetzt. Um Wärme loszuwerden, steigert der Körper zuerst die Durchblutung der Haut. Dadurch wird das erwärmte Blut aus dem Körperinneren vermehrt an die Oberfläche geleitet. „Das merkt man etwa daran, dass der Ehering schlechter vom Finger geht oder man die Schuhe schwerer vom Fuß bekommt.“

Bei Hitze muss das Herz auf Hochtouren arbeiten

Diese Umverteilung geht zulasten der inneren Organe. Der Magen-Darm-Trakt zum Beispiel bekommt nur noch so viel Blut, wie gerade nötig ist. Auch deshalb isst man im Sommer besser einen Salat als einen fetten Braten, sonst müssen Magen und Darm doch wieder mit Blut versorgt werden, das dann zur Kühlung fehlt. Die reduzierte Durchblutung im Verdauungstrakt sei auch ein wenig bekannter, aber wichtiger Grund für den Durchfall, der Reisende in südlichen Ländern oft heimsucht, sagt Gunga: Fehlt Blut im Darm, fehlen auch Immunzellen, die Keimen den Garaus machen könnten.

Umverteilen ist eine Taktik gegen die Hitze, allein aber reicht das nicht. Zusätzlich pumpt das Herz statt fünf bis zu 15 Liter Blut pro Minute durch den Körper, immer schaufelt es erwärmtes Blut aus dem Inneren nach außen. Bei einer länger andauernden Hitzewelle wird genau das zum Problem. Kritisch wird es vor allem, wenn die Außentemperatur auch nachts nicht unter 20 Grad abfällt. Das Herz muss dann rund um die Uhr auf erhöhtem Niveau arbeiten – und das kann lebensgefährlich werden. Wie das Robert-Koch-Institut berichtet, sind allein in Berlin und Hessen im Sommer 2018 mehr als 1000 Menschen an den Folgen der Hitze gestorben. „Die meisten Todesfälle bei einer Hitzewelle treten am zweiten oder dritten Tag auf, weil sich das Herz-Kreislauf-System nachts nicht erholen kann“, sagt Gunga. Dazu komme, dass die meisten tagsüber zu wenig trinken und deshalb nicht genug Volumen im Körper sei.

Gunga empfiehlt deshalb, sich morgens und abends nach dem Wasserlassen auf die Waage zu stellen – schon bevor eine Hitzewelle anrollt –, um sein Körpergewicht zu erfahren. Während der Hitzewelle wögen Personen dann nicht selten abends ein bis zwei Kilogramm weniger als morgens. Das ist aber – leider – kein Fettverlust, sondern hauptsächlich Wasser und zeigt an, dass man nicht genug getrunken hat. Gunga rät, das Minus noch am Abend mit einer dünnen Saftschorle auszugleichen. Klettern die Temperaturen weiter, hilft nur noch schwitzen.

Ein Erwachsener kann zwei Liter pro Stunde schwitzen, ein trainierter und hitzeadaptierter schafft bis zu vier Litern. „Nach etwa zwei Wochen gewöhnt sich der Körper an die Hitze, man schwitzt schneller und mehr“, sagt Gunga. Außerdem verändere sich das „Schweißprofil“: „Man schwitzt dann weniger am Körperstamm, aber mehr an Armen und Beinen, außerdem verliert man mit der Zeit weniger Elektrolyte.“ So kann der Schweiß schneller verdunsten, und die Kühlung wird noch effektiver.

Dauerhaft mehr als 35 Grad können auch für fitte Menschen zum Problem werden

Zudem erhöht sich das Volumen des Blutplasmas, das Herz muss weniger schlagen und wird so entlastet. Dauerhaft extrem heiße Temperaturen von über 35 Grad seien jedoch auch für gesunde und körperlich fitte Menschen kritisch. „Sie sind ständig damit beschäftigt, den Wasserverlust auszugleichen.“ Bei der aktuellen Hitze muss der Körper also extra viel leisten – aber man kann ihn dabei unterstützen. Vor allem sollte man auf ihn hören. Er wird von allein das Signal geben, es langsam angehen zu lassen und ihn bitte nicht zu überfordern. „Hitze ist immer anstrengend“, sagt Gunga. „Wichtig ist, wie man sich ihr gegenüber verhält.“