Der Leonberger Patrick Böhmler hat 2022 gut 37 000 Radkilometer zurückgelegt – das reicht fast um die ganze Welt, die rund um den Äquator 40 075 Kilometer misst.

Exzessiv – so bezeichnet Patrick Böhmler seine Beziehung zum Radfahren. Das Rennrad hat es ihm angetan, seit 15 Jahren verbringt er so viel Zeit wie möglich auf seinen mehrere tausend Euro teuren Rennmaschinen, nachdem er in seiner Jugend zunächst Fußball und Mountainbiken ausprobiert hat. Man mag kaum glauben, was er ohne Umschweife gesteht: „Als Kind war ich eigentlich ziemlich unsportlich.“ Doch er liebte die Radrennen im Fernsehen, wie viele Deutsche fieberte er 1997 mit Jan Ullrich bei seinem Tour de France-Sieg. „Mir haben auch immer die Trikots der Fahrer gefallen“, erzählt der Leonberger, der heute als gelernter Grafik-Designer viele seiner Trikots selbst gestaltet.

 

Seit Corona fährt er für sich

An mehreren Jedermann-Rennen hat der 34-Jährige teilgenommen, unter anderem bei der Deutschland-Tour 2018 und beim Charity Cup in Heimerdingen. „Mir geht es in den Fahrerfeldern aber oft zu ruppig zu“, erklärt Patrick Böhmler, der daraufhin bei mehreren Bergrennen an den Start ging, bei denen die Fahrer einzeln gegen die Uhr einen meist ziemlich steilen Anstieg zu bewältigen haben. Doch nachdem auch solche Veranstaltungen im Jahr 2020 der Coronakrise zum Opfer fielen, fuhr der Leonberger nur noch für sich selbst. Und das aber – genau – exzessiv.

Waren es im Jahr 2020 noch rund 30 000 Kilometer, die er zurücklegte, steigerte er diese Leistung ein Jahr später nochmals um 1000 Kilometer. „Ich wollte einfach nur testen, was man im Jahr neben einem normalen Job so fahren kann“, erklärt Patrick Böhmler seine Motivation. Ein Stück weit war er dann aber selbst perplex, als er die Auswertung für 2022 zusammenstellte: 37 000 Kilometer war er im vergangenen Jahr neben seinem Fulltime-Job als Verkäufer bei einem Lebensmitteldiscounter gefahren, den er annahm, nachdem er während der Coronapandemie immer mehr Kunden als freiberuflicher Grafik-Designer verloren hatte.

Mehr als so mancher Radprofi

„Mit 37 000 Kilometern bin ich mehr gefahren als so mancher Tour-de-France-Teilnehmer“, sagt Patrick Böhmler nicht ohne Stolz, der die Leistungen der Profis auf Instagram unter dem Namen Rik Erhardson verfolgt. Die meisten hätten Strecken zwischen 23 000 und 30 000 Jahreskilometern zurückgelegt, lediglich der Spanier Alejandro Valverde, der im Herbst vergangenen Jahres seine Karriere beendete, sei ebenfalls auf 37 000 Kilometer gekommen. Einen gravierenden Unterschied sieht der Leonberger dennoch zwischen sich und den Profis: „Sie legen so viele Kilometer zurück, weil sie auf bestimmte Ereignisse hin trainieren. Ich fahre einfach, weil ich die Einsamkeit auf dem Rad genieße“, erzählt Patrick Böhmler.

Gegen Kälte und Wind ist der Radsportler immun

Überaus dankbar ist der 34-Jährige seiner Frau, die ihm die Freiheit für sein Hobby lässt. Rund 120 Kilometer ist der Leonberger im vergangenen Jahr im Schnitt pro Tag gefahren. Eine seiner häufigsten Strecken führt über Heimsheim ins Würmtal bis nach Pforzheim. Dort wendet er und fährt über Merklingen, Weil der Stadt und bisweilen noch mit einem Schlenker über die Bärenseen nach Leonberg zurück.

Da seine Arbeit meistens am frühen Nachmittag beginnt, dreht der 1,78 Meter große und 70 Kilogramm schwere Radsportler seine erste Runde schon am Vormittag. Im Sommer hängt er abends noch mal eine Runde dran.

Bei den Streckenprofilen ist Patrick Böhmler nicht wählerisch. „Ich komme immer noch gut die Berge hoch, aber ich suche sie nicht mehr“, sagt er als ehemaliger Bergrennen-Fahrer. Auch gegen Kälte und Wind ist er immun, lediglich bei Regen fährt er ungern. „Die Nässe und der Dreck gehen auf das Material“, erklärt er. Dann fährt er lieber auf der Rolle zu Hause, auf der er neulich mit vier Stunden am Stück einen neuen persönlichen Rekord aufgestellt hat. Eine persönliche Challenge hat er derzeit mit sich selbst am Laufen: Ein Jahr lang will er mindestens 20 Stunden pro Woche neben seinem Vollzeit-Job Rad fahren. 49 davon sind schon rum. Und es wäre keine Überraschung, wenn Patrick Böhmler die 52 Wochen voll macht.