Vor 60 Jahren wurde am 12. September in Stuttgart-Rot die Fertigstellung der beiden Hochhäuser Romeo und Julia begangen.

Rot - Romeo“ und „Julia“, die beiden bekanntesten Gebäude des Zuffenhäuser Stadtteils Rot, sind am 12. September 1959 eingeweiht worden.

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem viele Gebäude zerstört wurden, herrschte in Stuttgart massive Wohnungsnot, der die Stadt unter anderem mit dem Bau von Genossenschaftswohnungen und Großsiedlungen zu begegnen versuchte. In Zuffenhausen sollte mit der Siedlung Rot im Laufe der 1950er-Jahre Wohnraum für etwa 20 000 Menschen entstehen. Als besonderer städtebaulicher Akzent waren dort zwei Hochhäuser vorgesehen – „Romeo“ und „Julia“. Architekt der beiden Hochhäuser war der damals bereits berühmte Hans Scharoun (1893 bis 1972). Sein Anliegen war es, mit diesem Hochhausensemble nicht nur Wohnungen mit Komfort, sondern auch einen besonderen Ort der Identifikation für die Siedlung Rot zu schaffen.

Romeo wurde nach 18 Monaten Bauzeit fertiggestellt

Bereits im März 1957 wurde in einer Bauzeit von 18 Monaten „Romeo“, das höhere der beiden Häuser, fertiggestellt. Die Fertigstellung von „Julia“, das den Gegenpart zur turmartigen Architektur seines Nachbargebäudes darstellen sollte, erfolgte zwei Jahre danach. Mit dem fünfgeschossigen Auftakt nimmt das Hochhaus die Niedrigbebauung von Alt-Zuffenhausen auf. Der Bau geht bis auf eine Höhe von zwölf Geschossen und leitet dadurch den Übergang zum angrenzenden „Romeo“ mit seinen 19 Etagen ein.

Die Fertigstellung von „Romeo“ war 1957 ohne Feier über die Bühne gegangen. Zwei Jahre später, nach der Vollendung von „Julia“, wurde die Einweihung beider Häuser dann feierlich begangen. Am Samstag, 12. September 1959, fand ein Fest im Innenhof von „Julia“ statt, zu dem die Bewohner sowie die am Bau beteiligten Firmen geladen waren. Vertreter der Bauträgerfirma und des Bezirksamts Zuffenhausen hielten Ansprachen. Der Leiter des Bauförderamts der Stadt Stuttgart bezeichnete, so das Stuttgarter Amtsblatt in seiner Ausgabe vom 17. September 1959, die Hochhäuser als „einen Markstein in der Entwicklung des Eigenwohnbaus in Stuttgart. Die Eigentumswohnung sei die für eine Großstadt zweckmäßige Form des Einfamilienhauses, nachdem das Eigenheim so teuer geworden sei, dass es nur noch für einen kleinen Kreis von Wohnungssuchenden erschwinglich sei.“

Formensprache des „organischen Bauens“

Auch Hans Scharoun, der von den Anwesenden laut einem Bericht der „Stuttgarter Nachrichten“ mit einem besonderen Beifall begrüßt wurde, ergriff das Wort. Er betonte, dass die künstlerische Gestaltung der beiden Bauwerke eng mit dem Wesen des Menschen verbunden sei. Am Abend führten Mitglieder des Stuttgarter Schauspiels Szenen aus „Romeo und Julia“ von Shakespeare auf. Martin Höchst schrieb 2012 in der Deutschen Bauzeitung: „Obwohl er im Dritten Reich von der Verwirklichung öffentlicher Bauvorhaben ausgeschlossen war, hatte Scharoun Deutschland nicht verlassen, sondern sich aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen und einige Einfamilienhäuser im Raum Berlin realisiert. Hierbei entwickelte er seine persönliche Formensprache des ‚organischen Bauens‘ weiter. Bei ‚Romeo und Julia‘, wie sein erstes realisiertes Großprojekt nach dem Zweiten Weltkrieg der beiden Wohnhochhäuser in Stuttgart-Rot dann identitätsstiftend genannt wurde, konnte er die auch dabei gewonnenen Erkenntnisse auf einen größeren Maßstab überführen.“ Scharoun behielt dort von 1959 bis 1972 einen Zweitwohnsitz.

Passend zum 60-jährigen Bestehen von „Romeo & Julia“ bietet die Volkshochschule in Zusammenarbeit mit dem Bürgerverein Rot einen Stadtspaziergang an. Der Titel „Stadtentwicklung Stuttgart Rot – von Romeo und Julia bis zur sozialen Stadt“. Dozent ist Heinrich Schwers. Die Veranstaltung findet am Samstag, 9. November, statt – 13 bis 15.30 Uhr. Eine Anmeldung ist erforderlich unter der Telefonnummer 1 87 38 00. Die Kursnummer lautet 192-08465.